Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwaltliche Beratungspflicht hinsichtlich der Scheidungsfolgen
Leitsatz (amtlich)
1. Der Wunsch des Mandanten, "schnell geschieden zu werden", berührt nicht die anwaltlichen Beratungspflichten wegen der Scheidungsfolgen, auch wenn der Mandant insoweit mit festen Vorstellungen an den Rechtsanwalt herantritt.
2. Der Rechtsanwalt, dem unzureichende Beratung vorgeworfen wird, darf sich nicht auf bloßes Bestreiten beschränken, sondern hat den Inhalt seiner Tätigkeit darzulegen.
3. An der Ursächlichkeit von Beratungsfehlern kann es fehlen, wenn und soweit ein Notar über die Bedeutung und Reichweite einer Scheidungsfolgenvereinbarung belehrt.
Normenkette
BGB §§ 276, 611, 675
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 14.1.2005 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Kleve abgeändert und die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
Im Übrigen werden das Urteil und das Verfahren aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das LG zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Schlechterfüllung eines Anwaltsvertrages in Anspruch.
Die Klägerin war seit dem 6.9.1991 mit G. (im Folgenden: Ehemann) im gesetzlichen Güterstand verheiratet, von dem sie sich im Jahr 2000 trennte. Im Dezember 2000 suchte sie die Beklagte auf, wobei streitig ist, wie viele Beratungsgespräche erfolgten. Die Klägerin wünschte eine Beratung über Unterhalt sowie Zugewinn; weiterhin sollte die Beklagte einen Scheidungsantrag beim FamG anhängig machen. Der Umfang der von der Beklagten geleisteten Beratung ist streitig.
Unter dem 22.12.2000 schrieb die Beklagte den Notar T. an mit der Bitte, einen Vertragsentwurf zu erstellen, wobei inhaltliche Vorgaben gemacht wurden. Der Notar fertigte auf der Grundlage dieser Vorgaben einen Entwurf vom 28.12.2000 und leitete diesen der Klägerin und der Beklagten zu. Die Beklagte konnte diesen Entwurf nicht zur Kenntnis nehmen, da sie sich in Urlaub befand.
Mit notariellem Vertrag vom 3.1.2001 verpflichtete sich die Klägerin u.a. ggü. ihrem Ehemann zur Zahlung von 30.000 DM zum Zwecke der vollständigen Abgeltung der Zugewinnausgleichsansprüche. Zum anderen verzichtete sie auf alle Ansprüche nachehelichen Unterhalts und auf Unterhaltsbeiträge im Falle der Not. In der Urkunde heißt des darüber hinaus (S. 5):
"Über die Tragweite der in dieser Urkunde getroffenen Vereinbarungen hat uns der Notar belehrt.
Wir gehen davon aus, dass jeder von uns in der Lage sein wird, seinen Unterhalt aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Das Risiko, dass sich diese Erwartung bei einem von uns auch ohne sein Verschulden, etwa wegen Krankheit oder Arbeitslosigkeit, nicht erfüllt, ist uns bewusst. Wir sind jedoch der Meinung, dass dieses Wagnis für die Zeit nach einer etwaigen Scheidung unserer Ehe jeder von uns selbst tragen soll."
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den notariellen Vertrag verwiesen.
Nachdem die Klägerin im Mai 2001 die Rücknahme des Scheidungsantrages wegen vorübergehender Versöhnung mit ihrem Ehemann veranlasst hatte, führte ein weiteres Verfahren vor dem FamG Geldern zur Scheidung der Ehe (19 F 22/03). Ein anderes Verfahren vor dem FamG Geldern betreffend den Trennungsunterhalt ist rechtskräftig abgeschlossen (19 F 189/03).
Die Klägerin hat behauptet: Es hätten Beratungen durch die Beklagte am 18., 20. und 21.12.2000 stattgefunden. Sie habe bei diesen Gesprächen Unterlagen mitgebracht, auf deren Grundlage die Beklagte einen Zugewinnausgleichsanspruch des Ehemannes i.H.v. 105.000 DM ermittelt habe. Im Hinblick auf ihr, der Klägerin, eigenes Einkommen habe die Beklagte erklärt, es stünde ihr kein nachehelicher Unterhaltsanspruch zu. Bei dem Termin am 21.12.2000 sei ihr Ehemann anwesend gewesen. Die Beklagte habe empfohlen, zugunsten des Ehemannes einen Zugewinnausgleichsanspruch i.H.v. 30.000 DM und einen nachehelichen Unterhaltsverzicht notariell beurkunden zu lassen.
Die Klägerin hat weiter geltend gemacht: Ihr sei durch die unzureichende und fehlerhafte Beratung der Beklagten ein Schaden entstanden, da ihr Anfangsvermögen das Endvermögen nicht übersteige und deshalb ihrem Ehemann kein Zugewinnausgleich geschuldet gewesen sei. Außerdem seien ihr erhebliche Unterhaltsansprüche entgangen. Schließlich habe die Beklagte ihr die Kosten zu ersetzen.
Sie hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen,
1. sie von der Verpflichtung zur Zahlung eines Zugewinnausgleichs an ihren Ehemann, H-Str. 41, S., i.H.v. 30.000 DM (= 15.338,76 EUR) aus der notariellen Urkunde des Notars T., UR-Nr. ... vom ... freizustellen;
2. an sie jeweils monatlich im voraus 818,44 EUR beginnend mit dem 4.9.2004 (Zeitpunkt der rechtskräftigen Scheidung der Eheleute G.) zu zahlen;
3. an sie weitere 4.044,90 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Kl...