Leitsatz (amtlich)
Der Rechtsanwalt haftet seinem Mandanten für die nachteiligen Folgen einer verspäteten Kündigungsschutzklage nur, wenn der Mandant den Prozess gewonnen hätte (hier verneint nach Kündigung wegen wiederholter Belästigung einer Arbeitskollegin).
Normenkette
BGB §§ 611, 675; KSchG § 1 Abs. 2, § 4; DDR-ArbGB §§ 51, 54
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 24.1.2001 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 8. Zivilkammer des LG Düsseldorf abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die gegen ihn gerichtete Zwangsvollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 6.200 Euro abzuwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von dem Beklagten Schadenersatz wegen schuldhaft fehlerhafter rechtlicher Vertretung. Der am … geborene Kläger war seit dem 5.3.1979 im Betrieb einer Z-Fabrik in C. als Fräser beschäftigt. Die regelmäßige Arbeitszeit betrug 39 Stunden, der Brutto-Stundenlohn zuletzt 15,50 DM. Der (ehemalige) Arbeitgeber des Klägers beschäftigte regelmäßig mehr als 20 vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit Ausnahme der Auszubildenden. Ab November 1993 war in einer anderen Abteilung des Betriebs eine neue Konstrukteurin, die inzwischen verstorbene Frau N., beschäftigt. Da der Kläger Frau N. sympathisch fand, lud er sie am 15.3.1994 zu einer kleinen Feier ein. Am 15.3.1994 wiederholte der Kläger seine Einladung, wobei er Frau N. locker an der Schulter berührte. Diese lehnte die Einladung des Klägers ab. Am 16.5.1994 suchte der Kläger das Gespräch mit Frau N. auf dem Bahnhof in F. Am 19.5.1994 fragte der Kläger Frau N., ob sie an dem seinerzeit bevorstehenden Pfingstwochenende etwas mit ihm unternehmen wolle. Frau N. lehnte dies ab.
Am 17.6.1994 suchte der Kläger den Geschäftsführer seines Arbeitgebers auf. Der Geschäftsführer forderte den Kläger auf, zu seinen Bemühungen um Frau N. schriftlich Stellung zu nehmen. In der Folgezeit versuchte der Kläger zumindest einige Male mit Frau N. telefonisch Kontakt aufzunehmen.
Mindestens drei solcher Versuche unternahm der Kläger im April 1995.
Mit Schreiben vom 26.4.1995 erklärte der Arbeitgeber des Klägers die fristgerechte Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.10.1995. Am 27.4.1995 begab sich der Kläger zur einer Geschäftstelle der IG, deren Mitglied der Kläger ist. Dort wurde ihm gesagt, er solle warten, bis er das Kündigungsschreiben des Arbeitgebers erhalten habe. Am 3.5.1995 ging dem Kläger das Kündigungsschreiben seines Arbeitgebers zu. Am 9.5.1995 begab sich der Kläger erneut zur Geschäftsstelle der IG. Dabei wurde ein Rechtsschutzauftrag gefertigt, der dem Beklagten zugeleitet wurde.
Am 24.5.1995 erhob der Beklagte für den Kläger Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht C. In der Güteverhandlung vom 20.6.1995 machte der Vertreter des Arbeitgebers geltend, die Kündigung sei bereits am 26.4.1995 mündlich ausgesprochen worden. Daraufhin erhob der Beklagte mit einem am 28.6.1995 eingegangenen Schriftsatz gleichen Datums nunmehr auch Kündigungsschutzklage gegen die mündliche Kündigung und beantragte deren nachträgliche Zulassung nach § 5 KSchG. Durch Beschluss vom 1.9.1995 wies das Arbeitsgericht den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Klage zurück. Eine sofortige Beschwerde gegen diese Entscheidung wies das Landesarbeitsgericht durch Beschluss vom 11.1.1996 zurück. Im Kündigungsrechtsstreit rechtfertigte der Arbeitsgeber des Klägers die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit einer erheblichen Belästigung der Kollegin N durch den Kläger. Das Arbeitsgericht C. wies die Kündigungsschutzklage durch ein am 5.3.1996 verkündetes Urteil zurück und stützte sich dabei auf die Nichteinhaltung der Klagefrist des § 4 KSchG. Die von dem Kläger hiergegen eingelegte Berufung führte am 5.11.1996 zu dem Vergleich, das Arbeitsverhältnis sei zum 31.10.1995 aufgelöst.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Beklagte habe schuldhaft die Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage nicht eingehalten. Die von seinem Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung sei sozialwidrig gewesen. Den kündigungsbedingten Schaden hat der Kläger mit insgesamt 47.459,14 DM beziffert.
Der Kläger hat beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 47.459,14 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 25.7.1999 zu zahlen.
2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzten, die dem Kläger aufgrund der Vertragsverletzung entstanden sind.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat behauptet, ihm sei nicht mitgeteilt worden, dass bereits am 26.4.1995 mündlich eine Kündigung ausgesprochen worden sei. Dies habe er erst am 20.6.1995 erfahren. Die Formulierung in dem Kündigungsschreiben vom 26.4.1995 habe er lediglich als mündliche Ankündigung einer schriftlichen Kündigung verstanden und verstehen müssen. Ferner ...