Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung Vorschussklage gegen Architekten; Reichweite der Bauüberwachungspflichten des Architekten; Mitverschuldenseinwand;

 

Leitsatz (amtlich)

  • Eine als Vorschussklage bezeichnete Klage gegen einen Architekten, mit der geltend macht wird, ein Planungs-/Überwachungsfehler des Architekten habe sich in einem Mangel des Bauwerks ausgewirkt, für dessen Beseitigung er geschätzte Nachbesserungskosten verlange, ist dahin auszulegen, dass (lediglich) ein Schadensersatzanspruch wegen mangelhaften Architektenwerks aus §§ 634 Nr. 4, 636, 280, 281 BGB verlangt wird.
  • Der mit der Objektüberwachung beauftragte Architekt haftet für Bauaufsichtsfehler auf Schadensersatz, wenn es infolge des Fehlers zu einem Mangel des Bauwerks gekommen.
  • Der Umfang und die Reichweite der "Objektüberwachung" i.S.v. § 15 Nr. 8 HOAI a.F. bzw. 33 Nr. 8 HOAI n.F. richtet sich nach den getroffenen Vereinbarungen und umfasst vor allem das Überwachen der Ausführung des Objekts auf Übereinstimmung mit der Baugenehmigung, den Ausführungsplänen und dem Leistungsverzeichnis, den Regeln und einschlägigen Vorschriften der Baukunst und Technik.
  • Der Architekt muss sein Augenmerk im Rahmen der Bauleitung/-überwachung insbesondere auf schwierige oder gefahrenträchtige Arbeiten, typische Gefahrenquellen und kritische Bauabschnitte richten, wozu Betonierungs- und Bewehrungsarbeiten, Ausschachtungs- und Unterfangungsarbeiten sowie vergleichbare Arbeiten gehören.
  • Liegen Mängel des Bauwerks vor, die typischerweise im Hinblick auf Art, Schwere und Erkennbarkeit entdeckt werden mussten, spricht der Anscheinsbeweis für eine Bauaufsichtspflichtverletzung des Architekten. Der Architekt muss den Anscheinsbeweis durch Darlegung einer hinreichenden Bauaufsicht, die er im Streitfall auch zu beweisen hat, entkräften. Er hat substantiiert darzulegen, welche Überwachungstätigkeit er durchgeführt hat.
  • Der Architekt, der vom Auftraggeber mit der Überwachung der Ausführung der an den Metall- und Stahlbauer übertragenen Arbeiten beauftragt worden ist, hat sich die von diesem erstellten Planungsunterlagen vorlegen zu lassen, diese zu überprüfen und gegebenenfalls danach zu kontrollieren, ob ein statischer Nachweis für die geplanten Metallarbeiten (hier Balkongeländer) vorhanden ist, und schließlich zu überwachen, inwieweit die Ausführung den erstellten Plänen entspricht.
  • Der Bauherr muss sich in den Fällen, in denen er den bauaufsichtsführenden Architekten wegen eines Bauwerkmangels in Anspruch nimmt, der darauf zurückzuführen ist, dass die gelieferten Pläne mangelhaft sind und der bauaufsichtsführende Architekt dies pflichtwidrig nicht bemerkt hat, gemäß §§ 254 Abs. 1, 278 BGB das mitwirkende Verschulden des planenden Architekten als das seines Erfüllungsgehilfen zurechnen lassen.
  • Diese Grundsätze greifen nicht, wenn es nicht um ein Planungsverschulden des planenden Architekten geht, sondern um den gegen den bauaufsichtsführenden Architekten gerichteten Vorwurf, die Fehlerhaftigkeit der Bauausführung durch den Werkunternehmer und damit den Werkmangel deshalb nicht erkannt und verhindert zu haben, weil er die von dem Werkunternehmer nach den einschlägigen Regeln der Technik zu erstellende, tatsächlich aber nicht gelieferte Ausführungsplanung nicht angefordert und insbesondere nicht darauf gedrungen zu haben, dass diese Ausführungsplanung auch einer statischen Nachprüfung unterzogen wird.
 

Normenkette

BGB §§ 280-281, 254, 278, 634 Nr. 4; ZPO § 308

 

Verfahrensgang

LG Wuppertal (Urteil vom 20.04.2015; Aktenzeichen 17 O 44/11)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten zu 1 gegen das am 20.04.2015 verkündete Urteil der 17. Zivilkammer des LG Wuppertal - Einzelrichter - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten zu 1) auferlegt.

Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten zu 1) bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht zuvor die Klägerin Sicherheitsleistung des zu vollstreckenden Betrages geleistet hat.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A) Die Klägerin, eine Wohnungseigentümergemeinschaft B.staße 1-3 in E., macht gegenüber dem Beklagten zu 1 als planenden und überwachenden Architekten und gegenüber dem Beklagten zu 2 als ausführendes Unternehmen Zahlungsansprüche im Zusammenhang mit Mängeln im Rahmen einer Balkonsanierung geltend.

Durch Schreiben ihrer Verwalterin vom 5.3.2001, 25.09.2002, 10.12.2002 und 13.3.2003 beauftragte die Klägerin den Beklagten zu 1 mit Architektenleistungen im Zusammenhang mit einer Balkonsanierung. Im Zuge seiner Arbeiten fertigte der Beklagte zu 1 auch zeichnerische Darstellungen und Skizzen für neue Balkongeländer. Die zu den Akten gereichten Skizzen (Bl. 49f und 54 AB) stellte der Beklagte zu 1 dem Beklagten zu 2 zur Verfügung. Mit Auftragsschreiben ihrer Verwalterin vom 13.3.2003 beauftragte die Klägerin den Beklagten zu 2, auf der Basis des vom Beklagten zu 1 er...

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