Leitsatz (amtlich)

Ein unechtes Versäumnisurteil gegen den abwesenden Kläger ist ausnahmsweise dann zulässig, wenn nicht behebbare Verfahrensmängel eine Klageabweisung erfordern (hier verneint).

 

Normenkette

ZPO § 330

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Urteil vom 20.03.2007; Aktenzeichen 16 O 20/07)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 20.3.2007 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des LG Düsseldorf aufgehoben und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Berufung - an das LG Düsseldorf zurückverwiesen.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 20.880 EUR.

Dem Kläger wird für das Berufungsverfahren ratenfrei Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Bonn in Essen beigeordnet.

 

Gründe

I. Auf Antrag des Klägers ist durch das AG Hagen gegen die Beklagte am 14.11.2006 Vollstreckungsbescheid über eine Hauptforderung von 20.880 EUR aus "Beratung in PR sowie Restaurantführung, Vermittlung von Krediten (Beraterhonorar) vom 1.1.2006-20.10.2006" erlassen worden. Nach rechtzeitigem Einspruch der Beklagten hat das AG Hagen das Verfahren an das AG Neuss abgegeben. Der Kläger hat dort mit Schriftsatz vom 6.1.2007, eingegangen am 8.1.2007, Ausführungen zur Begründung seines Anspruchs gemacht und Beweismittel bezeichnet.

Auf Antrag des Klägers hat das AG Neuss das Verfahren durch Beschluss vom 11.1.2007 an das LG Düsseldorf verwiesen. Dort hat sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers für diesen bestellt. Trotz ordnungsgemäßer Ladung ist für den Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LG am 20.3.2007 niemand erschienen. Die Beklagte hat hierauf beantragt, den Vollstreckungsbescheid aufzuheben und die Klage abzuweisen. Sie hat zugleich beantragt, durch Versäumnisurteil zu entscheiden.

Durch das angefochtene Urteil, auf das wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, hat das LG die Klage abgewiesen, da der Kläger sie nicht begründet habe.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.

Er beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 20.880 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das LG zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Verfahrensweise des LG für ordnungsgemäß.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II. Auf den Berufungsantrag zu 2. des Klägers ist das Urteil des LG gem. § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO aufzuheben und das Verfahren an LG zurückzuverweisen, da das Verfahren im ersten Rechtszug an einem wesentlichen Mangel leidet und deswegen eine aufwendige weitere Sachaufklärung erforderlich ist, da die Beklagte auf den Sachvortrag des Klägers im Schriftsatz vom 6.1.2007 noch nicht erwidert hat.

1. Das LG hat die Klage nicht durch Versäumnisurteil, sondern durch kontradiktorisches Sachurteil abgewiesen, obwohl der Kläger in der mündlichen Verhandlung erster Instanz säumig war und auch früher nicht zur Sache verhandelt hatte. Die Voraussetzungen einer Entscheidung nach Aktenlage (§§ 251a, 331a ZPO) lagen ersichtlich nicht vor. Auch die von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen für die Entscheidung durch ein sog. "unechtes" Versäumnisurteil waren nicht gegeben.

Zwar ist ein solches unechtes Versäumnisurteil gegen den abwesenden Kläger dann zulässig, wenn nicht behebbare Verfahrensmängel eine Klageabweisung erfordern. Denn der Kläger soll mit seiner unzulässigen Klage nicht allein deshalb besser gestellt sein, weil er auch noch säumig ist (BGH NJW-RR 1986, 1041; Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 330 Rz. 7). Solche nicht behebbaren Verfahrensmängel lagen hier im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Verhandlung aber nicht vor. Der Hinweis des LG, der Kläger habe den geltendgemachten Anspruch nicht begründet, geht fehl. Noch während der Dauer der Anhängigkeit des Verfahrens vor dem AG Neuss hat der Kläger mit Schriftsatz vom 6.1.2007 zur Anspruchsbegründung vorgetragen. Wird jedoch von dem in jenem Verfahrensstadium postulationsfähigen Kläger der Klagegrund bezeichnet, dann bestehen keine Zweifel daran, dass seine Angaben grundsätzlich auch für das spätere Streitverfahren zu berücksichtigen sind (BGH v. 24.5.1982 - VIII ZR 181/81, MDR 1982, 846 = NJW 1982, 2002; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 697 Rz. 1; OLG Köln v. 11.2.1981 - 2 U 58/80, NJW 1981, 2265; Hirtz, NJW 1981, 2234; Schmidt, NJW 1982, 811).

Es kann dahinstehen, ob diese Anspruchsbegründung nach Verweisung des Rechtsstreits an das LG nur dadurch hätte Gegenstand des Verfahrens werden können, dass der postulationsfähige Prozessbevollmächtigte des Klägers auf sie Bezug genommen hätte. Verneint man die Erforderlichkeit einer solchen Bezugnahme, so hätte der Kläger gem. § 139 ZPO aufgefordert werden müssen, seinen Anspruch erneut - diesmal ordnungsgemäß vertreten - zu begründen (vgl. OLG Karlsruhe v. 10.12.1987 - 9 U 49/87, MDR 1988, 682 = NJW 1988, 2806; Musielak/Voit, ZPO, 5. Aufl., § 697 ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?