Leitsatz (amtlich)
Der um Rat ersuchte Rechtsanwalt ist zu einer umfassenden und möglichst erschöpfenden Belehrung seines Auftraggebers verpflichtet. Er hat dem Mandanten diejenigen Schritte anzuraten, die zu dem erstrebten Ziel zu führen geeignet sind, und Nachteile für den Auftraggeber zu verhindern, soweit solche voraussehbar und vermeidbar sind.
Wenn er den Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH über die Insolvenzfestigkeit einer ihm verpfändeten Lebensversicherung zu beraten hat, genügt der Rechtsanwalt seiner Aufklärungspflicht, sofern er ihm in einer für einen im Wirtschaftsleben stehenden Mandanten verständlichen Weise darlegt, dass der Rückkaufswert der Lebensversicherung zwar in die Insolvenzmasse fällt, ihm aber ein Anspruch auf Sicherstellung seiner Versorgungsansprüche gegen den Insolvenzverwalter zusteht.
Die Vermutung beratungskonformen Verhaltens, gilt nur, wenn aus damaliger Sicht nur eine Entscheidung für den Mandanten nahe lag. Die Regeln des Anscheinsbeweises sind nicht anwendbar, wenn unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten unterschiedliche Schritte in Betracht kommen und der Berater lediglich die erforderliche sachliche Information für eine sachgerechte Entscheidung zu erteilen hat.
Verfahrensgang
LG Duisburg (Urteil vom 21.10.2011; Aktenzeichen 2 O 424/10) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 21.10.2011 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des LG Duisburg wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger war Gesellschafter und Geschäftsführer der S-GmbH in W. Am 10.1.1994 erteilte die S-GmbH dem Kläger eine Versorgungszusage über eine Alters- und Invalidenrente (Anlage 1, GA 8 ff.). Zu deren Absicherung wurde eine Lebensversicherung als Rückdeckungsversicherung über DM 480.000,- bei der V AG abgeschlossen (Anlage 2, GA 11 ff.). In der Folgezeit wurde der Versicherungsbestand der V AG von der A AG übernommen.
Am 22.4.2002 verpfändete die S-GmbH die Ansprüche aus dieser Lebensversicherung an den Kläger und nachrangig an dessen Ehefrau (Anlage 3, GA 18).
In den Jahren danach verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation der S-GmbH. Der Kläger musste neues Kapital zuführen. Als Sicherheit kam die Lebensversicherung in Betracht. Der Kläger war gewillt, diese einzusetzen, wenn sie sich als nicht insolvenzfest erweisen sollte. Deshalb suchte er am 7.8.2008 die Beklagten zu einem Beratungsgespräch auf, welches zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 3. stattfand. Der Beklagte zu 3. prüfte die Rechtslage und fertigte unter dem 20.8.2008 einen Aktenvermerk, in dem er seine Einschätzung der Rechtslage abgab (Anlage 4, GA 19 ff.). Er führt u.a. aus:
"Vorliegend sind die Ansprüche jedoch wirksam verpfändet worden. Nach dem BGH sind Ansprüche auf Altersruhegeld, Berufsunfähigkeitsrente und Hinterbliebenenrente, wie sie hier gegenständlich sind, als aufschiebend bedingte Ansprüche zu qualifizieren, wenn deren Voraussetzungen, also hier der Eintritt des Versorgungsfalles, noch nicht eingetreten sind. Solche Forderungen berechtigen den Pfandgläubiger nur zur Sicherstellung seiner Versorgungsansprüche aus dem Erlös (BGHZ 136, 220, 227; BGH in NJW 1998, 312). Gemäß §§ 191 I, 198 InsO wird der auf aufschiebend bedingte Forderungen entfallende Anteil nicht ausgezahlt, sondern hinterlegt. Hat der Pfandrechtsgläubiger vor Eintritt der Pfandreife eben keinen Zahlungsanspruch gegen den Drittschuldner, sondern nur einen Sicherstellungsanspruch gegen den Insolvenzverwalter, und ist er deshalb nicht befugt, das Pfandrecht selbst einzuziehen (§§ 1282 I, 1228 II BGB), steht das Einzugsrecht allein dem Insolvenzverwalter zu, auf den auch das Widerrufsrecht des Versicherungsnehmers übergegangen ist (BGH in NJW 2005, 2231).
Das Verwertungsrecht vor Pfandreife liegt folglich allein beim Insolvenzverwalter, der allerdings den Erlös in Höhe der zu sichernden Forderung zurückbehalten und vorrangig hinterlegen muss, bis die zu sichernde Forderung aus der Versorgungsanwartschaft fällig wird oder die Bedingung ausfällt. Die verpfändeten Ansprüche aus der Rückdeckungsversicherung sind somit ebenso nicht insolvenzfest."
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf dieses Schreiben Bezug genommen. Am 2.9.2009 fand in der Kanzlei der Beklagten ein weiteres Gespräch statt, in dem der Beklagte zu 3. dem Kläger den Inhalt des Aktenvermerks näher erläuterte.
Am 23.9.2008 stellte die S-GmbH einen Policendarlehensantrag an die A AG. Am 1.10.2008 wurden EUR 173.100,- auf das Konto der S-GmbH gezahlt. Gleichwohl konnte das Insolvenzverfahren über das Vermögen der S-GmbH nicht abgewendet werden, vielmehr wurde es am 1.8.2009 eröffnet. Die A AG kündigte das Darlehen und stellt...