Leitsatz (amtlich)
Hat der Gläubiger gegen den Schuldner eine einstweilige Verfügung zur Abwehr einer einmaligen Handlung des Schuldners erwirkt, so kann der Schuldner eine Aufhebung dieser einstweiligen Verfügung gem. § 927 ZPO nicht mit der Begründung verlangen, der Unterlassungsanspruch sei weggefallen, weil er inzwischen die verbotene Handlung begangen und gegen das Unterlassungsgebot verstoßen habe.
Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Aktenzeichen 6 O 84/99) |
Tenor
Die Berufung der Aufhebungskläger gegen das am 13.2.2001 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Mönchengladbach wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Aufhebungskläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Gründe
Der Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung des LG Mönchengladbach vom 26.2.1999 gem. §§ 927, 936 ZPO ist unbegründet.
Allerdings fehlt es nicht am Rechtsschutzbedürfnis für den Aufhebungsantrag.
Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag nach § 927 ZPO kann insbesondere dann entfallen, wenn der Arrest bzw. die einstweilige Verfügung für den Schuldner keinerlei Bedrohung mehr darstellt (Wieczorek/Thümmel, ZPO, 3. Aufl., § 927, 7; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 927, 2). Erforderlich für die Annahme des Rechtsschutzbedürfnisses ist, dass dem Schuldner aus dem bestehenden Arrest bzw. der erlassenen einstweiligen Verfügung zumindest theoretisch noch Nachteile drohen (Heinze in MünchKomm/ZPO, § 927, 4). Solange die Aufhebungsbeklagten den Titel noch in Händen halten, ist eine Bedrohung für die Aufhebungskläger nicht ausgeschlossen, weil theoretisch noch eine Vollstreckung aus der einstweiligen Verfügung möglich ist. Hinzu kommt, dass auch im Falle eines – theoretisch denkbaren – Wiederaufbaus des Gebäudes eine Vollstreckung der Kläger aus dem vorliegenden Titel denkbar wäre.
Der Aufhebungsantrag ist jedoch unbegründet.
Nach §§ 927, 936 ZPO kann wegen veränderter Umstände die Aufhebung einer einstweiligen Verfügung beantragt werden. Veränderte Umstände liegen vor, wenn die Voraussetzungen für den Erlass der einstweiligen Verfügung seit dem Zeitpunkt ihrer Anordnung weggefallen sind. Veränderte Umstände können vorliegen hinsichtlich des Verfügungsanspruches; sie können auch den Verfügungsgrund betreffen. Hier berufen die Aufhebungskläger sich auf einen Wegfall des der einstweiligen Verfügung zugrunde liegenden Unterlassungsanspruches der Aufhebungsbeklagten aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB. Es mag dahinstehen, ob der Unterlassungsanspruch untergegangen ist, nachdem durch die Errichtung des Gebäudes auf dem Grundstück der Aufhebungskläger die künftige Beeinträchtigung, die mit dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung gerade abgewehrt werden sollte, inzwischen eingetreten ist.
Auch wenn grundsätzlich der Arrest bzw. die einstweilige Verfügung gem. § 927 ZPO aufzuheben ist, wenn anstelle des weggefallenen Arrest- oder Verfügungsanspruches ein anderer Anspruch getreten ist, kommt im vorliegenden Fall eine Aufhebung der einstweiligen Verfügung mit dieser Begründung nicht in Betracht.
Ließe man hier eine Aufhebung der einstweiligen Verfügung wegen veränderter Umstände nach § 927 ZPO zu, würde das dazu führen, dass einstweilige Verfügungen zur Abwehr einer einmaligen Handlung leerlaufen müssten.
Wegen des Verstoßes gegen die ihnen durch einstweilige Verfügung auferlegte Unterlassungsverpflichtung ist gegen die Aufhebungskläger inzwischen ein Ordnungsmittel verhängt worden. Würde nun die zugrunde liegende einstweilige Verfügung aufgehoben, hätte das zur Folge, dass – jedenfalls mit Rechtskraft des Aufhebungsurteils – die bereits vollzogenen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aufzuheben wären, §§ 775 Nr. 1 2. Alt., 776 ZPO (vgl. Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 927, 18; Wieczorek/Thümmel, ZPO, 3. Aufl., § 927, 16; Zöller/Stöber, ZPO, 21. Aufl., § 890, 25 und Zöller/Vollkommer, ZPO, 21. Aufl., § 927, 17; KG v. 2.7.1999 – 5 W 2664/99, MDR 2000, 48 = KGReport 1999, 339). Darüber hinaus würde die weitere Zwangsvollstreckung unzulässig mit der Folge, dass das verhängte Ordnungsgeld – sofern es der Rechtspfleger nach der Justizbeitreibungsverordnung noch nicht beigetrieben hat (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 22. Aufl., § 890, 23) – nicht mehr würde beigetrieben werden können. Würde man also bei Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung zulassen, dass die einstweilige Verfügung wegen veränderter Umstände gem. § 927 ZPO aufgehoben würde, dann hätte gerade der Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung zur Folge, dass wegen dieses Verstoßes eine Zwangsvollstreckung nicht mehr durchgeführt werden könnte und eine bereits vollzogene Zwangsvollstreckungsmaßnahme aufzuheben wäre. Die einstweilige Verfügung gerichtet auf Unterlassung wäre damit wirkungslos.
Hinzu kommt, was die Aufhebungskläger ebenfalls übersehen, dass ein wegen Verstoßes gegen eine Unterlassungsverpflichtung verhängtes Ordnungsgeld nicht lediglich der Sicherung des Unterlassungsa...