Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Urteil vom 16.12.2021; Aktenzeichen 12 O 304/21) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach vom 16.12.2021 - 12 O 304/21 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einer behaupteten Abgasmanipulation geltend. Sie erwarb im November 2017 beim V.-Händler ... in M. ein gebrauchtes Fahrzeug des Typs VW Golf VII 2.0 TDI, Erstzulassung 09/2016, mit einem Kilometerstand von 13.125 km zum Preis von EUR 26.500. Das Fahrzeug wurde finanziert. Es verfügt über einen Motor der Baureihe EA288 mit einem NSK-Katalysator. Hinsichtlich dieses Fahrzeugs gibt es bislang keinen Rückruf des Kraftfahrtbundesamtes. Die Motorsteuerung verfügt über ein sog. "Thermofenster", d. h. die Abgasrückführung wird abhängig von der Außentemperatur reguliert und bei Unter- oder Überschreiten bestimmter Temperaturen verringert, wobei die konkreten Werte streitig sind. Es verfügte ursprünglich über eine sogenannte Fahrkurvenerkennung, die durch ein Softwareupdate am 31.07.2020 entfernt wurde. Zum Zeitpunkt der Verfassung der Klage betrug der Kilometerstand des Fahrzeugs 134.726 km. Mit Schreiben vom 30.03.2021 forderten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 13.04.2021 vergeblich zur Zahlung von Schadenersatz Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs auf.
Die Klägerin hat behauptet, das Fahrzeug verfüge über mehrere unerlaubte Abschalteinrichtungen. Eine uneingeschränkte Abgasreinigung erfolge nur im Temperaturbereich zwischen +20 und +30° C. Weiterhin verfüge die Motorsteuerung über eine sog. Fahrkurven- sowie Lenkwinkelerkennung, mittels derer der Prüfstandsbetrieb erkannt und die Abgasrückführung für den Prüfstandsbetrieb verändert werde. Die Verantwortlichen der Beklagten hätten vom Einbau der Manipulationssoftware gewusst und diese gebilligt.
Die Klägerin hat erstinstanzlich sinngemäß beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, 15.267,14 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Volkswagen Golf mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer ...
2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Entgegennahme des im Klageantrag zu 1. genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet;
3. die Beklagte zu verurteilen, sie, die Klägerin, von der Verpflichtung zur Zahlung vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.957,55 EUR gegenüber den Rechtsanwälten ..., freizustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat behauptet, im Temperaturbereich zwischen -24 und +70° C finde eine uneingeschränkte Abgasreinigung ohne eine sogenannte "Abrampung" statt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen angeführt, aus dem Vorhandensein eines Thermofensters allein sei auf den Vorsatz einer sittenwidrigen Schädigung nicht zu schließen. Ob das unstreitig vorliegende Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 2 Satz 2 a) VO (EG) 2007/715 darstelle, sei zum Zeitpunkt des Typengenehmigungsverfahrens umstritten gewesen. Die Klägerin habe auch nicht konkret dargelegt, dass die Beklagte gegenüber dem Kraftfahrtbundesamt (KBA) objektiv unzutreffende Angaben zum Thermofenster gemacht habe. Weiterer Vortrag der Klägerin zu einer möglichen unzulässigen Abschalteinrichtung sei ins Blaue hinein erfolgt, weil es an unzureichenden tatsächlichen Anknüpfungspunkten fehle. Ein Anspruch aus §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 EG-FGV scheitere am fehlenden Schutzgesetzcharakter der §§ 6 Abs. 1, 27 EG-FGV. Vertragliche Ansprüche bestünden nicht.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlich gestellten Anträge leicht modifiziert weiter. Die Klägerin rügt, das Landgericht hätte angesichts ihres insoweit ausreichenden Vortrags Beweis über das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung erheben müssen. Ihr Vortrag sei nicht "ins Blaue hinein" erfolgt. Die Beklagte habe das Konzept systematischer Täuschung, das sie schon hinsichtlich des Motors EA 189 verfolgt hätte, auch bei dem streitgegenständlichen Motor EA 288 weiter betrieben. Ein Verhaltensänderung sei insofern nicht erkennbar. Dies ergebe sich insbesondere aus den Erkenntnissen der D. U.. Die Beklagte habe auch das KBA über den Umstand getäuscht, dass die auf dem Fahrzeug hinterlegte Fahrkurvenerkennung die Abgasemissionen auf dem Prüfstand gegenüber dem Normalbetrieb reduziert worden sei. Der Einordnung der von der Klägerin vorgetragenen Funktionen stehe auch keine Tatbestandswirkung der erteilten Typengenehmigung entgegen. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte müsse davon ausgegangen werden, dass der Vorstand bzw. Repräsentanten der Beklagten...