Verfahrensgang
LG Wuppertal (Aktenzeichen 3 O 51/19) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 20.03.2020 verkündete Urteil des Landgerichts Wuppertal (3 O 51/19) unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 41.897,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.02.2019 zu zahlen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs der Marke Volkswagen vom Typ Touareg V6 TDI Bluemotion Technology mit der Fahrgestellnummer ....
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.954,46 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.02.2019 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 21 % und die Beklagte zu 79 %.
Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Der im Versicherungsgewerbe tätige Kläger kaufte am 09.09.2016 bei einem Händler in X. den streitgegenständlichen VW Touareg zum Preis von 65.750,00 EUR brutto. Er leistete darauf eine Anzahlung von 15.000,00 EUR und finanzierte den Restkaufpreis über ein Darlehen der Volkswagenbank, welches er inzwischen vollständig abgelöst hat. An Zinsen hat er insgesamt 4.412,65 EUR aufgewendet, so dass er zum Erwerb des Fahrzeugs in der Summe 70.162,65 EUR gezahlt hat. Die Einzelheiten ergeben sich aus den als Anlage K1 vorgelegten Unterlagen, auf die Bezug genommen wird. Das Fahrzeug wurde dem Kläger am 28.11.2016 geliefert.
Herstellerin des Fahrzeugs ist die Beklagte. Verbaut ist ein Motor des Typs EA 897. Dabei handelt es sich um einen V6 TDI-Motor mit einer Leistung von 193 kw (262 PS), der die Abgasnorm Euro 6 erfüllt. Entwickelt und hergestellt hat den Motor die Audi AG; er wird in verschiedenen Fahrzeugen des VW-Konzerns verwendet, darunter in Fahrzeugen der Marken VW, Audi und Porsche. In der von ihr ausgestellten EG-Übereinstimmungsbescheinigung bezeichnet sich die Beklagte selbst als Herstellerin der Antriebsmaschine (Anlage B8).
Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) begann im August 2017, Fahrzeuge des streitgegenständlichen Typs auf das Vorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen zu untersuchen. Es erließ im Dezember 2017 den als Anlagen K28 und BE8 vorgelegten Bescheid, in welchem es für Fahrzeuge des streitgegenständlichen Typs anordnete,
"die Vorschriftsmäßigkeit herzustellen, indem alle unzulässigen Abschalteinrichtungen [...] aus dem Emissionskontrollsystem entfernt werden.
[...]
VW hat bis zum 29.12.2017 eine technische Maßnahme sowie einen Zeitplan zur Herstellung der Vorschriftsmäßigkeit vorzulegen."
In dem Bescheid heißt es, VW verwende fünf verschiedene Strategien im Emissionskontrollsystem der Fahrzeuge. Strategie A wird als Aufheizstrategie beschrieben, die unter Prüfbedingungen dafür sorge, dass die Überschreitung des NOx-Grenzwertes von 80 mg/km sicher vermieden wird, außerhalb der Prüfbedingungen aber abgeschaltet werde. Darin sieht das KBA eine unzulässige Abschalteinrichtung.
Eine weitere Abschalteinrichtung stelle Strategie E dar. Diese sorge dafür, dass die Ad-Blue-Zufuhr gedrosselt werde, sobald der Füllstand soweit gesunken sei, dass das System eine nur noch für weitere 2.400 km Reichweite ausreichende Menge erkenne und die Aufforderung zum Nachfüllen aktiviere.
Im Januar 2018 gab das Kraftfahrt-Bundesamt eine Pressemitteilung über die Detektierung der entsprechenden unzulässigen Abschalteinrichtungen bei Audi mit den Motoren des vorliegenden Typs heraus (Anlage BE1).
Der Kläger forderte die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 24.01.2019 unter Fristsetzung zum 31.01.2019 zur Zahlung von Schadenersatz auf und bot Zug um Zug Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs an (Anlage K10). Mit seiner am 28.03.2019 zugestellten Klage verfolgt er sein Begehren weiter.
Die Laufleistung des Fahrzeugs betrug zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung am 07.02.2020 99.025 km. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat betrug die Laufleistung 128.966 km.
Ob er das angebotene Softwareupdate hat aufspielen lassen, wusste der Kläger in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung nicht.
Das Landgericht Wuppertal hat eine zu erwartende Gesamtfahrleistung von 300.000 km zugrunde gelegt und den Forderungen des Klägers durch Urteil vom 20.03.2020 im Wesentlichen entsprochen: Es hat die Beklagte zur Leistung von Schadenersatz in Höhe von 56.784,64 EUR verurteilt, davon durch Zahlung von 27.150,39 EUR an den Kläger und im Übrigen durch Freistellung von den seinerzeit noch nicht erfüllten Darlehensforderungen. ...