Verfahrensgang
LG Münster (Aktenzeichen 14 O 163/19) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 28.01.2020 verkündete Urteil des Landgerichts Münster teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 35.343,63 Euro zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs der Marke K AUTOTYP01 4,2 l TDI Antriebstyp02 mit der Fahrzeugidentitätsnummer FIN01 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.04.2019.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.706,94 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.04.2019 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 35 % und die Beklagte zu 65 %.
Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Gemäß § 540 Abs. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen, soweit sich aus dem Nachfolgenden nichts anderes ergibt.
Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einem Kaufvertrag über einen gebrauchten Pkw K AUTOTYP01, der nach Darstellung der Klägerin von einer Diesel-Abgas-Problematik betroffen sein soll.
Die Klägerin, seinerzeit noch firmierend unter Z UG (haftungsbeschränkt), erwarb am 30.03.2017 von dem Autohaus D I GmbH & Co. KG in I den streitgegenständlichen Pkw der Marke K AUTOTYP01 4.2 l TDI V8 Antriebstyp02 (Euro 6), Fahrzeug-Identifizierungsnummer: FIN01, Erstzulassung: 00.01.2014, als Gebrauchtfahrzeug zu einem Kaufpreis in Höhe von 55.000,00 EUR brutto mit einem Kilometerstand von 48.700 km. Wegen der weiteren Einzelheiten des Kaufs wird auf die Rechnung vom 30.03.2017 (Anlage K1) Bezug genommen. Das Fahrzeug verfügt über einen Motor der Baureihe EA 897 oder EA 896 und mehrere Technologien zur Reduktion des Stickoxidausstoßes, insbesondere ein Abgasrückführungssystem ("Thermofenster"), eine Aufheizstrategie und einen SCR-Katalysator, der mit AdBlue betrieben wird. Die Beklagte ist die Herstellerin des Fahrzeugs und des darin verbauten Dieselmotors. Bei diesem handelt es sich unstreitig nicht um einen von der Volkswagen AG hergestellten Dieselmotor mit der herstellerinternen Typenbezeichnung EA 189.
Am 27.10.2017 richtete das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) an die Beklagte einen - bestandskräftig gewordenen - Bescheid, mit dem nachträgliche Nebenbestimmungen für die Typengenehmigung von K-Fahrzeugen AUTOTYP01 mit einem Dieselmotor 4.2 l TDI V8 Emissionsstufe Euro 6 durch Software-Nachrüstung angeordnet wurden, von denen ausdrücklich alle entsprechend ausgerüsteten Fahrzeuge erfasst wurden - wozu das streitgegenständliche Fahrzeug unstreitig gehört. Nach dem Bescheid müssen zwei eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S.v. Nr. 2.16 i.V.m. Nr. 5.1.2.1 der UN-Regelung Nr. 83 und Art. 3 Nr. 10 i.V.m. Art. 5 Abs. 2 S. 1 der VO (EG) Nr. 715/2007 darstellende Strategien aus dem Emissionskontrollsystem aller betroffenen Fahrzeuge entfernt werden und hatte die Beklagte bis zum 15.12.2017 eine technische Maßnahme sowie einen Zeitplan zur Herstellung der Vorschriftsmäßigkeit durch Umrüstung aller Fahrzeuge im Rahmen einer Rückrufaktion vorzustellen. Für den Fall der Nichtbefolgung wurde angedroht, die betroffene Typengenehmigung ganz oder teilweise zu widerrufen. Nach dem Inhalt des Bescheids vom 27.10.2017 hatte das KBA festgestellt, dass K im Emissionskontrollsystem des genannten Motortyps zwei Strategien verwendet, die nahezu ausschließlich unter den Bedingungen der Prüfung Typ 1 genutzt werden (dreistufige Aufheizstrategie (Engine Heat Up Mode, alternatives Aufheizen), um die Überschreitung des NOx-Grenzwertes von 80 mg/km bei der Prüfung Typ 1 sicher zu vermeiden. Die von der Beklagten applizierten Schaltkriterien seien so gewählt, dass die Aufheizstrategie mit Sicherheit im NEFZ nicht abgeschaltet werde. Demgegenüber werde sie schon bei geringsten Abweichungen von den Prüfbedingungen des NEFZ, die im realen Verkehr nutzerunabhängig praktisch immer eintreten, abgeschaltet. Darin liege eine unzulässige Abschalteinrichtung. Die von der Beklagten im Anhörungsverfahren nach § 28 VwVfG im Hinblick auf eine reduzierte SCR-Performance vorgebrachten Motorschutzargumente würden als nicht tragfähig erachtet.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 07.06.2018 (Anlage K11) forderte die Klägerin die Volkswagen AG unter Fristsetzung bis zum 21.06.2018 zur Erstattung des Kaufpreises i.H.v. 55.000,00 EUR abzgl. nicht bezifferter gezogener Nutzungen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs sowie zur Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten von 2.994,04 EUR auf.
Mittlerweile erging im Juli 2020 ein Rückruf der Beklagten an die Klägerin in Bezug auf das streitgegenständliche Fahrzeug mit der Aufforderung, bei einem autorisie...