Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage, wann bei einer Epicondylitis lateralis humeri von einer konservativen zu einer operativen Behandlung (hier: Operation nach Hohmann) überzugehen ist.
2. Über die Gefahr der Entstehung einer Sudeck'schen Dystrophie muss der Patient nicht aufgeklärt werden, wenn die Operation weder ein typisches noch ein erhöhtes Risiko des Auftretens einer Sudeck'schen Dystrophie mit sich bringt.
Normenkette
BGB §§ 242, 246, 249, 611, 823, 847
Verfahrensgang
LG Kleve (Urteil vom 02.02.2001; Aktenzeichen 1 O 513/98) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 2.2.2001 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Kleve wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 11.000 Euro abwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leisten.
Tatbestand
Die am 23.3.1955 geborene Klägerin, die sich beruflich im Außendienst mit der Anbringung und Einrichtung von Lampen befasste, litt seit März 1993 unter Schmerzen im rechten Ellenbogengelenk. Ihr Hausarzt, Dr. M., verordnete am 22.11.1993 eine Ruhigstellung des Armes und legte für drei bis vier Wochen eine Gipsschiene an. Da keine Besserung der Beschwerden eintrat, suchte die Patientin auf Anraten ihres Hausarztes die Praxis des Orthopäden Dr. B. auf, dessen Vertreter ihr einen chirurgischen Eingriff empfahl. Am 3.1.1994 stellte die Klägerin sich in der chirurgischen Ambulanz des …-Hospitals K., dessen Träger die Beklagte zu 1) ist, vor, dort riet man ihr unter der Diagnose einer therapieresistenten Epicondylitis lateralis humeri zur Durchführung einer Operation nach Hohmann (Einkerbung der Strecksehne im Ansatzbereich des äußeren Oberarmknochens mit dem Ziel einer Denervierung). Am 11.1.1994 wurde die Patientin stationär in der chirurgischen Abteilung des …-hospitals aufgenommen. Sie unterzeichnete eine – teilweise – vorgedruckte Einwilligungserklärung, in der handschriftlich durch den – als Oberarzt tätigen – Beklagten zu 2) die Art des Eingriffs beschrieben ist und unter der Rubrik typischer Gefahren der Operation folgende Komplikationen vermerkt sind: „Wundheilungsstörungen, Thrombose, Embolie, Verletzung von Nerven und Gefäßen, Erguss, Infektion”. Am nächsten Tag führte der Beklagte zu 2) den Eingriff nach Hohmann durch; danach wurde der Patientin eine Oberarmgipsschiene angelegt. Am 13.1.1994 wurde die Klägerin nach einer Gipskontrolle entlassen. Ihr Hausarzt entfernte am 11. postoperativen Tag die Wundfäden und legte die Gipsschiene wieder an. Am 31.1.1994 stellte die Klägerin sich erneut in der chirurgischen Ambulanz des …-Hospitals vor; dort wurden neben einer erheblichen Schwellung des Handrückens Bewegungsschmerzen der Finger festgestellt; der Befund lautete: „Gefahr von Sudeck Dystrophie”. Der Gips wurde abgenommen und die Patientin wurde in der Folgezeit ambulant mit Calciuminjektionen, Ossin und Krankengymnastik behandelt. Anlässlich einer Röntgenkontrolle der rechten Hand am 28.2.1994 zeigte sich eine „fleckige Entkalkung im Sinne von Sudeck”. In der Zeit vom 3.5. bis zum 17.6.1994 wurde die Klägerin erneut stationär im …-Hospital aufgenommen und medikamentös sowie physiotherapeutisch behandelt; bei der Entlassung bestanden noch Bewegungseinschränkungen des Schulter-, Ellenbogen- und Handgelenkes. In der Zeit vom 1. bis zum 29.9.1994 unterzog sich die Patientin in der H.-Klinik in L. einer stationären Rehabilitationsbehandlung. Im Abschlussbericht dieser Klinik vom 12.10.1994 wurde mitgeteilt, eine vollständige Wiederherstellung der Belastungsfähigkeit zur Montage von Lampen sei nicht zu erwarten.
Die Klägerin macht Ersatzansprüche geltend. Sie hat den Beklagten Behandlungsfehler vorgeworfen und behauptet, die Entstehung des Morbus Sudeck sei dadurch provoziert worden, dass ihr nach der Operation zu lange ein „strangulierender” Gipsverband angelegt worden sei. Des Weiteren hat sie sich auf ein Aufklärungsversäumnis berufen und vorgetragen, der chirurgische Eingriff vom 12.1.1994 sei nicht zwingend indiziert gewesen; deswegen habe zuvor eine Belehrung über alternative konservative Behandlungsmethoden sowie das Risiko eine Algodystrophie als Folge eines chirurgischen Eingriffs stattfinden müssen. Bei entspr. Aufklärung hätte sie von einer Operation abgesehen. Aufgrund der Dystrophie leide sie unter einer Versteifung der rechten Hand und der Finger, unter starken Schmerzen und Bewegungsbeeinträchtigungen im gesamten rechten Arm und Schulterbereich sowie Verspannungen der Wirbelsäule und der Muskeln im Rücken; dies führe zu Kopfschmerzen. Außerdem hätten sich Schlafstörungen, Nervosität und Depressionen eingestellt. Sie könne keinen Sport mehr treiben; wegen der Entstellung der rechten Hand durch eine erhebliche Schwellung meide sie, die Patientin, gesellschaftliche Veranstaltungen. Sie sei arbeitsunfähig und nicht in der Lage, ihren Haushalt allein zu führen. Neben der Zahlung...