Leitsatz (amtlich)
Die Überschreitung der Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen um 70 km/h (200 km/h statt 130 km/h) vermag auch im Falle eines unzulässigen Spurwechsels eine Anrechnung der Betriebsgefahr im Umfang von 30% zu rechtfertigen.
Normenkette
StVG § 17 Abs. 1-2; StVO § 5 Abs. 4 S. 1, § 7 Abs. 5
Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Aktenzeichen 3 O 78/13) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin zu 2. wird das Urteil der 3. Zivilkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts Mönchengladbach vom 09. Februar 2017 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels sowie der Berufung des Klägers zu 1. teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger zu 1. 1.711,23 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 1.491,74 EUR seit dem 29.03.2012 und aus einem Betrag von 244,19 EUR seit dem 18.08.2012 zu zahlen.
Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin zu 2. 15,84 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.03.2013 zu zahlen.
Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin zu 2. ein Schmerzensgeld i.H.v. 360,00 EUR nebst Zinsen ab dem 18.08.2012 zu zahlen.
Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, die Kläger von der Zahlung der Gebührenforderung der Rechtsanwälte K., K. und Kollegen, M., H. i.H.v. 330,34 EUR freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden wie folgt verteilt:
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen der Kläger zu 1. zu 55 %, die Klägerin zu 2. zu 18 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 27 %.
Die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1. tragen die Beklagten als Gesamtschuldner zu 30 % und der Kläger selbst zu 70 %. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2. tragen die Beklagten als Gesamtschuldner zu 16 % und die Klägerin selbst zu 84 %.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden wie folgt verteilt: Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen der Kläger zu 1. zu 75 % und die Klägerin zu 2. zu 25 %. Die Kläger tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Kläger verlangen von den Beklagten als Gesamtschuldner Schadensersatz und Schmerzensgeld aufgrund eines Verkehrsunfalls, der sich am 29.02.2012 gegen 16:15 Uhr auf der BAB 46 in Fahrtrichtung Wuppertal in Höhe des Kilometers 32,4 eignete.
Die Klägerin zu 2. fuhr mit dem im Eigentum ihres Ehemannes, des Klägers zu 1., stehenden Fahrzeug VW P. mit eingeschaltetem linken Blinker im Zuge eines Spurwechsels von der rechten auf die linke Fahrbahn, um das Fahrzeug des Zeugen P. zu überholen. Der von hinten herannahende Beklagte zu 1. im Fahrzeug der Beklagten zu 2., einem D. V., näherte sich auf der linken Fahrspur und kollidierte sowohl mit dem Fahrzeug des Klägers als auch während eines anschließenden Schleudervorgangs mit demjenigen des Zeugen P..
Der Kläger macht folgende Sachschäden geltend:
Wiederbeschaffungsaufwand: |
3.750,00 EUR |
Kostenpauschale: |
25,00 EUR |
An- und Abmeldekosten: |
50,70 EUR |
Mietwagenkosten: |
1.147,76 EUR |
Gutachterkosten: |
813,96 EUR |
Summe: |
5.787,42 EUR |
Die Klägerin verlangt neben dem Ersatz von Attestkosten ein angemessenes Schmerzensgeld, welches sie auf mindestens 1.500,00 EUR beziffert, weil sie durch den Unfall eine Halswirbeldistorsion erlitten habe, aufgrund derer sie bis zum 12.03.2012 arbeitsunfähig erkrankt und bis zum 20.04.2012 in physiotherapeutischer Behandlung gewesen sei.
Die Kläger haben behauptet, die Klägerin zu 2. habe einen ordnungsgemäßen Fahrspurwechsel mit doppelter Rückschau und rechtzeitig eingeschaltetem Fahrtrichtungsanzeiger durchgeführt. Sie sei bereits einige Sekunden auf der linken Fahrspur gefahren, als das Fahrzeug der Beklagten bei regem Berufsverkehr mit völlig überhöhter Geschwindigkeit herangekommen sei.
Die Kläger haben den Antrag gestellt, die Beklagten gesamtschuldnerisch zur Zahlung der vorgenannten Schäden sowie des Schmerzensgeldes zu verurteilen. Die Beklagten, die Klageabweisung beantragt haben, haben behauptet, der Beklagte zu 1. sei unmittelbar vor dem Unfall ca. 150 km/h gefahren. Er habe noch versucht, nach rechts auszuweichen, sei hierbei jedoch mit dem gleichfalls wieder nach rechts fahrenden klägerischen Fahrzeug kollidiert. Der abrupte Spurwechsel der Klägerin zu 2. allein habe zu dem Unfallgeschehen geführt.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen R. und P. sowie durch Erholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. N. sowie durch Einholung eines medizinischen Gutachtens des Sachverständigen Dr. S.-B.. Zudem hat das Landgericht die unfallbeteiligten Parteien angehört. Sodann hat es der Klage auf der Basis einer Haftungsquote zulasten der Beklagten i.H.v. 30 % teilweise stattgegeben. Bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge sei auf Klägerseite ein unsorgfältiger Sp...