Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Entscheidung vom 30.12.2004; Aktenzeichen 3 O 172/04) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers und unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels sowie unter Zurückweisung der Berufungen der Beklagten und des Streithelfers wird das am 30. Dezember 2004 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 100.000 EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 24. Mai 2004 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle zukünftigen materiellen Schäden zu ersetzen, die aus Behandlungsfehlern anlässlich seines Aufenthaltes bei der Beklagten vom 18. Juli bis zum 27. September 1990 herrühren, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 55 % dem Kläger und zu 45 % der Beklagten auferlegt. Die Kosten der Nebenintervention tragen zu 55 % der Kläger und zu 45 % der Streithelfer.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten und des Streithelfers in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte und der Streithelfer vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Gründe
A.
Der Kläger kam am 16.06.1990 als extreme Frühgeburt - nach der Dokumentation aus der 26. Schwangerschaftswoche - mit einem Gewicht von 960 g zur Welt und wurde am 18.07.1990 in die Kinderklinik der von der Beklagten betriebenen Krankenanstalten F. N. verlegt. Auf Veranlassung der Kinderärzte sollte am 13.09.1990 durch den Streithelfer der Beklagten eine konsiliarische augenärztliche Untersuchung stattfinden, die mangels ausreichender medikamentöser Erweiterung der Pupillen jedoch zunächst nicht durchgeführt werden konnte. Der Streithelfer der Beklagten nahm die Kontrolluntersuchung sodann am 19.09.1990 vor. Nach den Behandlungsunterlagen wurden dabei keine pathologischen Veränderungen festgestellt; unter der Rubrik "Therapievorschlag" ist in der Dokumentation vermerkt: "Mutter wurde augenärztliche Kontrolle in ca. 6 Wochen empfohlen". Anlässlich der Entlassung des Klägers aus der Kinderklinik der Beklagten am 27.09.1990 wurde der Mutter ein von der Mitarbeiterin Dr. K. handschriftlich gefertigter Arztbrief mit dem Datum vom selben Tage übergeben, in dem es u.a. heißt: "Augenärztl. Bef.: Zur Zeit ohne path. Bef., Kontrolle in 6-8 Wochen". Die Mutter des Klägers stellte ihn am 26.11.1990 bei dem Chefarzt der Abteilung für Augenheilkunde des M.-H. in D., Prof. S., vor, der eine Frühgeborenen-Retinopathie diagnostizierte und der Mutter eine Untersuchung des Kindes in der Augenklinik der Krankenanstalten der Stadt K. zur Abklärung eines möglichen operativen Vorgehens empfahl. Dort wurde der Kläger in der Zeit vom 05. bis zum 07.12.1990 untersucht; der Direktor der Augenklinik, Prof. Dr. P., stellte eine Frühgeborenen-Retinopathie des Stadiums IV am rechten und des Stadiums V am linken Auge fest. Als Folge der Retinopathie ist der Kläger auf beiden Augen erblindet.
Der Kläger macht die Beklagte für seine Erblindung verantwortlich. Er behauptet, bei der augenärztlichen Untersuchung vom 19.09.1990 sei seine Mutter nicht zugegen gewesen; eine Empfehlung, ihn in ca. 6 Wochen erneut bei einem Augenarzt vorzustellen, sei ihr gegenüber nicht erfolgt. Seine Mutter habe erstmals durch den Arztbrief vom 27.09.1990 von der Erforderlichkeit einer weiteren augenärztlichen Untersuchung erfahren. Die in diesem Bericht angesprochene Frist von 6-8 Wochen sei zu lang bemessen gewesen; man hätte seine Mutter vielmehr dahingehend belehren müssen, nach der Entlassung aus der Kinderklinik in 14 tägigen Abständen augenärztliche Kontrollen vornehmen zu lassen. Entsprechenden Anweisungen wäre seine Mutter nachgekommen; dies hätte dazu geführt, dass die Retinopathie erfolgreich hätte behandelt werden können und ihm das Augenlicht erhalten geblieben wäre.
Der Kläger hat die Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens 250.000 EUR, einer Schmerzensgeldrente von mindestens 500 EUR monatlich sowie die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für zukünftige materielle Schäden begehrt.
Die Beklagte und ihr Streithelfer sind den Vorwürfen entgegengetreten. Sie haben vorgetragen, die Mutter des Klägers habe der Untersuchung vom 19.09.1990 beigewohnt; dabei sei ihr von dem Streithelfer eine augenärztliche Kontrolle in ca. 6 Wochen angeraten worden. Diese Empfehlung habe dem damaligen medizinischen Standard entsprochen; nach dieser Anweisung hätte die Mutter sich richten müssen. Dass eine frühere Untersuchung die Erblindung des Klägers verhindert hätte, haben die Beklagte und ihr Streithelfe...