Leitsatz (amtlich)
1. § 321 ZPO erfasst nur ein versehentliches Übergehen eines Anspruchs bzw. einer insoweit wegen § 322 Abs. 2 ZPO gleichgestellten Hilfsaufrechnung.
2. Eine beklagte Partei ist auch bei versehentlichen Übergehen von drei Hilfsaufrechnungsforderungen durch das erstinstanzliche Gericht nicht darauf beschränkt bzw. darauf zu verweisen, fristgerecht eine Urteilsergänzung gemäß § 321 ZPO zu beantragen, wenn sich das versehentliche Übergehen von drei Hilfsaufrechnungsforderungen zugleich als erstinstanzlicher Verfahrensfehler i.S.v. § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO darstellt und die Aufhebung des angefochtenen (versehentlich unvollständigen) Urteils und die Zurückverweisung des Rechtsstreits an die erste Instanz rechtfertigt.
3. Verteidigt sich der Auftraggeber teilweise nur (noch) mit auf Geldzahlung gerichteten Mängelansprüchen und verlangt er nach mittlerweise durchgeführter Selbst-/Ersatzvornahme keine Nacherfüllung vom Auftragnehmer mehr (da diese durch Drittleistungen unmöglich geworden ist), entfällt insoweit eine Abnahme als Fälligkeitsvoraussetzung und es besteht insoweit ein reines Abrechnungsverhältnis.
4. Dies gilt auch, wenn der Auftraggeber im Hinblick auf weiter gehende Mängelrügen, zu denen er noch keine Drittarbeiten veranlasst hat, den insoweit zulässigen prozessualen Weg eingeschlagen hat, in erster Linie ein Leistungsverweigerungsrecht (wegen der nach seiner Ansicht insoweit zu Recht verweigerten Abnahme) und nur hilfsweise einen Vorschussanspruch (im Wege der Hilfsaufrechnung) geltend zu machen.
5. Daran ändert auch grundsätzlich der inzwischen längere Zeitablauf nichts; vielmehr ist es dann Sache des Auftragnehmers, die Voraussetzungen für die Fälligkeit seines Werklohnes dadurch zu schaffen, dass er die Mängel beseitigt.
6. Wird ein Hinweis - wie hier - erst in einem Termin gegeben und kann eine sofortige Äußerung nach den gegebenen Umständen und den Anforderungen des § 282 Abs. 1 ZPO nicht erwartet werden, darf die mündliche Verhandlung nicht ohne weiteres geschlossen werden bzw. bei nachträglichem Vorbringen ist das Gericht zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung verpflichtet. Das Gericht muss - mangels Einverständnis beider Parteien mit einem schriftlichen Verfahren - vielmehr vertagen und auch das Unterlassen eines Antrags auf Gewährung einer Erklärungsfrist (i.S.v. § 139 Abs. 5 ZPO) berechtigt das Gericht nicht, von einer Vertagung (bzw. Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung) abzusehen.
Verfahrensgang
LG Krefeld (Urteil vom 30.09.2015; Aktenzeichen 2 O 412/12) |
Tenor
Das Urteil des Vorsitzenden der 2. Zivilkammer des LG Krefeld (als Einzelrichter) vom 30.09.2015 wird - einschließlich des zugrundeliegenden Verfahrens - aufgehoben und die Sache zur weiteren Verhandlung und erneuten Entscheidung an das LG Krefeld zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - bleibt dem LG vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin macht aus einem Werkvertrag vom 23./29.05.2012 über den Umbau eines Gebäudes in ein Fitnessstudio in W. Restwerklohn aus ihrer Schlussrechnung vom 05.11.2012 (24 ff. GA) in Höhe von 20.982,66 EUR nebst Verzugszinsen, einen - nach Grund und Höhe als solchen unstreitigen - Betrag in Höhe von 6.403,00 EUR, weil das Finanzamt versehentlich der Beklagten zu 1. statt der Klägerin Umsatzsteuer in dieser Höhe erstattet habe, sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 1.196,43 EUR nebst Verzugszinsen geltend. Wegen weiterer Einzelheiten wird gemäß § 540 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Das LG hat der Klage nach Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen sowie Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen H. vom 24.02.2015 (431 ff. GA) - unter Klageabweisung im Übrigen als derzeit unbegründet - teilweise in Höhe von 6.403,00 EUR nebst Verzugszinsen entsprochen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Es sei zwischen den Parteien unstreitig, dass der Klägerin gegen die Beklagten ein Anspruch auf Erstattung der versehentlich an die Beklagte zu 1. geflossenen Vorsteuer zustehe. Für ein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 320 BGB fehle es schon an der Gegenseitigkeit der Ansprüche und für ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB an der notwendigen Konnexität. Auch wenn der Anspruch im weiteren Sinne aus dem Werkvertrag herrühre, beruhe er auf einem Versehen Dritter, so dass der Beklagten zu 1. daraus kein ungerechtfertigter Vorteil bei der Durchsetzung ihrer Mangelansprüche erwachsen könne.
Der Anspruch der Klägerin auf Restwerklohn gemäß § 631 BGB sei mangels Abnahme gemäß §§ 640, 642 BGB nicht fällig und deshalb derzeit unbegründet.
Eine förmliche Abnahme sei unstreitig nicht erfolgt. Die Überlassung der Mietsache sei keine konkludente Abnahme, da sie sich aus dem Mietvertrag ergeben habe. Auch im weiteren Verlauf sei keine konkludente Abnahme erfolgt, da innerhalb einer angemessenen Prüffrist von zumindest einig...