Leitsatz (amtlich)
1. Ein Anspruch auf Freistellung setzt - auch bei Geltendmachung im Rahmen einer werkvertraglichen Schadensersatzpflicht - entsprechend dem Wortlaut des § 257 Satz 1 BGB und im Umkehrschluss aus § 257 Satz 2 BGB die bereits erfolgte Eingehung einer Verbindlichkeit - im Sinne einer Aufwendung gem. § 256 BGB - voraus.
2. Die Geldschuld, von der Freistellung begehrt wird, muss individualisiert werden und - bereits zwecks Zulässigkeit einer entsprechenden Leistungsklage auf Freistellung - der Höhe nach eindeutig bestimmt sein, damit ein entsprechendes Urteil einen gem. § 887 ZPO vollstreckungsfähigen Inhalt hat.
3. Ein Anspruch auf Freistellung ist grundsätzlich nicht (insbesondere nicht konkludent) zugleich auf Zahlung gerichtet und eine Auslegung des Freistellungsantrages als Zahlungsantrag regelmäßig unzulässig.
4. Der Beweisantritt auf Einholung eines Sachverständigengutachtens kann die notwendige Substantiierung nicht ersetzen und ist ohne notwendige Substantiierung auf eine im Zivilprozess unzulässige Ausforschung gerichtet. Die Beibringung der durch einen Sachverständigen fachtechnisch zu bewertenden Anschluss- bzw. Anknüpfungstatsachen obliegt der darlegungs- und beweisbelasteten Partei.
5. Eine Partei ist mit einem Antrag auf erneute Anhörung der Sachverständigen im Berufungsverfahren gem. § 531 ZPO präkludiert, wenn ihr die Vorinstanz durch Beschluss eine Frist zur Einzahlung des weiteren Vorschusses i.S.v. § 356 ZPO gesetzt und der Vorschuss erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz eingegangen ist.
6. Ein Anspruch auf Prozesszinsen steht dem Kläger für den Zeitraum der Geltendmachung eines Freistellungsanspruchs nicht zu, sondern erst ab Geltendmachung des Zahlungsanspruchs im Rahmen der Umstellung des Klageantrages auf einen Zahlungsantrag i.S.v. § 264 Nr. 2 ZPO.
Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Urteil vom 23.12.2013; Aktenzeichen 6 O 98/12) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin sowie die Anschlussberufung des Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des LG Mönchengladbach vom 23.12.2013 unter Zurückweisung der weiter gehenden beiderseitigen Rechtsmittel teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.500 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8.8.2014 zu zahlen.
Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden der Klägerin in vollem Umfang auferlegt.
Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz werden der Klägerin zu 94 % und dem Beklagten zu 6 % auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien dürfen die Zwangsvollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils jeweils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin verlangt vom Beklagten die Freistellung von einer Werklohnforderung der Fa. T. GmbH & Co. KG für die Neuerstellung der Klinkerfassadenflächen an der Giebelfront und im Garagenbereich ihres Hauses "B. in M." gemäß deren Angebot vom 15.12.2009 i.H.v. 26.569,27 EUR (Anlage K 11, 49 ff. GA) bzw. nunmehr Zahlung in entsprechender Höhe nebst Prozesszinsen, weil Mängel der Sanierungsarbeiten des Beklagten an den dortigen Fugen im Jahre 2007 zu Abplatzungen an Kanten mehrerer Klinkersteine geführt hätten, die eine vollständige Neuerstellung der Klinkerfassadenflächen erforderten. Wegen weiterer Einzelheiten wird gem. § 540 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen.
Das LG hat der Klage nach Beweisaufnahme teilweise (Freistellung i.H.v. 4.580 EUR) entsprochen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Der Antrag der Klägerin sei dahin auszulegen, dass sie die Freistellung von der Werklohnforderung gemäß Angebot der Fa. T. v. 15.12.2009 (Anlage K11, 49 ff. GA) geltend mache.
Soweit die Klägerin Verschmutzungen an nicht von dem o.a. Angebot umfassten Türen, Fenstern und Garageneinfahrtspflaster sowie Beschädigungen an der Gartenfront behaupte, fehle es bereits an einem schlüssigen Vortrag, von welcher konkreten Verbindlichkeit eine Befreiung verlangt werde.
Hinsichtlich Beschädigungen der Giebelfassade stehe der Klägerin gegen den Beklagten ein Freistellungsanspruch gem. §§ 280, 241, 278, 257 BGB (analog) i.H.v. 4.580 EUR zu, da der Beklagte bzw. dessen Erfüllungsgehilfe die vorhandene Klinkerfassade beschädigt und damit das Integritätsinteresse der Klägerin verletzt habe.
Der Beklagte sei für einen Haftungsausschluss bzw. ein von der Klägerin bewusst in Kauf genommenes Risiko nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme beweisfällig (vgl. Seite 5, dort 1.-3. Absatz).
Den ihm obliegenden Entlastungsbeweis i.S.v. § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB habe der Beklagte nicht erbracht, da die Sachverständige eine unvorsichtige, unsachgemäße Bearbeitu...