Leitsatz (amtlich)
Zur Bemessung der Entschädigung für den Mehrbedarf an Pflege durch die Eltern bei schwerster Hirnschädigung eines 4 Monate alten Kindes, das ständiger Überwachung im Sinne einer Rufbereitschaft bedarf. Im konkreten Fall wurden monatlich 5.300 DM für angemessen erachtet.
Normenkette
BGB § 843 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Krefeld (Aktenzeichen 3 O 365/99) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 13.9.2001 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Krefeld wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 18.000 Euro abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
Die am 10.6.1995 geborene Klägerin, die seit ihrer Geburt an einer erblich bedingten Mukoviscidose erkrankt ist, erlitt im Oktober 1995 während einer Behandlung in der Kinderklinik der Beklagten eine Hirnschädigung, die auf ein ärztliches Fehlverhalten zurückzuführen ist; die Parteien sind sich darüber einig, dass die Beklagte hierfür einzustehen hat. Als Folge der schweren Hirnschädigung hat sich bei der Patientin ein apallisches Syndrom entwickelt, das durch einen fast vollständigen Fortfall der Wahrnehmungs- und Empfindungsmöglichkeit sowie eine umfassende körperliche Schwerstbehinderung gekennzeichnet ist. Die Klägerin leidet unter einer spastischen Tetraplegie und zeigt fast keine motorische Spontanaktivität; aufgrund des Fehlens der wesentlichen geistigen Funktionen kann sie weder Sinnesreize verarbeiten noch Kontakte mit ihrer Umwelt aufnehmen; der Hirnschaden führt darüber hinaus zu immer wiederkehrenden Krampfanfällen. Die Klägerin, die im Hause ihrer Eltern lebt, ist vollständig hilfsbedürftig und bedarf einer umfassenden Betreuung; sie muss gefüttert, gewaschen und gewindelt werden.
Die Beklagte zahlt seit Januar 1996 monatlich einen Betrag von 4.000 DM für den Pflegemehrbedarf; die … als Krankenversicherung der Eltern leistet monatlich ein Pflegegeld von 1.300 DM.
Die Klägerin ist der Auffassung, durch die monatlichen finanziellen Zuwendungen werde der Mehraufwand für ihre Pflege nicht hinreichend ausgeglichen. Sie hat behauptet, ihre Eltern seien täglich 24 Stunden wechselseitig mit ihrer Betreuung beschäftigt. Da sie, die Klägerin, mehrmals am Tage oder in der Nacht unter Krampfanfällen mit häufigem Erbrechen leide, die wegen der Gefahr eines Erstickens ein sofortiges Eingreifen erforderten, müsse sie neben der unmittelbaren Versorgung – Verabreichung der Nahrung, Körperpflege etc. – „rund um die Uhr” beaufsichtigt werden; jeweils ein Elternteil übe deswegen eine ständige Nachtwache aus. Für diese innerhalb der Familie erbrachten Leistungen sei eine Vergütung i.H.v. 9.000 DM im Monat angebracht. Bei einer Inanspruchnahme fremder Pflegedienste seien für eine ständige Betreuung vier in drei Schichten arbeitende Pflegekräfte erforderlich; die Aufwendungen hierfür seien mit 14.000 DM monatlich zu veranschlagen. Für eine Heimunterbringung in der Anstalt B., die langfristig beabsichtigt sei, weil ihre Eltern die Pflege ohne eigene gesundheitliche Schäden nur noch mittelfristig wahrnehmen könnten, entstünden bei einem täglichen Pflegesatz von 311,85 DM monatliche Kosten von 9.355,50 DM. Unter Zugrundelegung eines Betrages von 9.000 DM für den Pflegemehraufwand seien für die Zeit von Januar 1996 bis September 1999 Rückstände von jeweils 5.000 DM monatlich = insgesamt 225.000 DM entstanden, die die Beklagte zu erstatten habe.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Pflegekostenrückstand i.H.v. 225.000 DM nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, an sie auf Lebenszeit monatlich im Voraus eine Pflegekostenpauschale von 9.000 DM zu zahlen.
Die Beklagte hat den Klageanspruch zu 2. in Höhe eines Betrages von monatlich 4.000 DM anerkannt und im Übrigen beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, bei der Ermittlung des Mehraufwandes sei zu berücksichtigen, dass bereits die bei der Klägerin als Grunderkrankung vorliegende Mukoviscidose eine über das Normalmaß hinausgehende Pflege erfordere, für die sie, die Beklagte, nicht einzustehen habe. Außerdem sei der Pflegeaufwand, der allein wegen des jugendlichen Alters der Klägerin anfalle, abzusetzen. Der verbleibende Mehraufwand werde mit Blick auf die zeitweilige Betreuung in einem Heilpädagogischen Kindergarten durch die monatliche Zahlung von 4.000 DM sowie das Pflegegeld von 1.300 DM – das die …-kasse bei ihr, der Beklagten, im Wege des Regresses geltend mache – hinreichend abgegolten. Hinsichtlich des für den Zeitraum von Januar bis September 1996 geltend gemachten rückständigen Pflegemehraufwandes hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.
Das LG hat durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis erhoben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin eine Mehrbedarfsrente i.H....