Entscheidungsstichwort (Thema)
Täuschung des Versicherers durch Vorstand eines Unternehmens bei Abschluss einer Vermögensschadenshaftpflichtversicherung
Leitsatz (amtlich)
1. Täuscht der Vorstand eines Unternehmens den Versicherer bei Abschluss einer Vermögensschadenhaftplichtversicherung für leitende Organe und Angestellte (sog. D.&O.-Versicherung) dergestalt (hier durch Vorlage gefälschter Bilanzen), dass der Versicherer den Vertrag wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten hat, wird der Versicherer von der Leistung auch ggü. versicherten Personen frei, die von der Täuschung nichts wussten.
2. Das gilt auch dann, wenn in den allgemeinen Versicherungsbedingungen steht: "Bei der Prüfung, ob Versicherungsschutz besteht, werden einer versicherten Person keine bei anderen versicherten Personen gegebenen Tatsachen zugeschrieben oder vorhandene Kenntnisse zugerechnet." Denn diese Klausel regelt nur die Kenntniszurechnung zwischen versicherten Personen, nicht aber die Frage, wie sich eine arglistige Täuschung durch den Versicherungsnehmer auf die versicherten Personen auswirkt, auch wenn der Versicherungsnehmer als juristische Person dabei durch eine versicherte Person vertreten wurde.
3. Selbst wenn der Versicherer seine Versicherung u.a. mit dem Hinweis auf die vorgenannte Klausel beworben hat, ist ihm die Berufung auf den Wegfall des Vertrages nicht etwa deshalb verwehrt, weil dies gegen Treu und Glauben verstieße.
4. Ein etwaiger Schadensersatzanspruch der versicherten Personen wegen dieser Werbung gegen den Versicherer scheitert schon daran, dass es lebensfremd ist, dass die versicherte Person einen anderen Versicherer gefunden hätte, der sie in Kenntnis der wahren Sachlage (Verwendung gefälschter Bilanzen) versichert hätte.
Normenkette
VVG § 22; BGB §§ 123, 142
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Urteil vom 23.03.2004; Aktenzeichen 11 O 344/02) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Düsseldorf vom 23.3.2004 - 11 O 344/02 - abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger war in der Zeit vom 10.6.1999 bis zum 28.6.2002 Aufsichtsratsvorsitzender der C. AG aus U. Diese hatte über ihren damaligen Vorstandsvorsitzenden B. Sch. bei der Beklagten im Februar 2000 eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung (...-Versicherung) für ihre leitenden Organe und Angestellten, darunter den Kläger, abgeschlossen. Vertragsbestandteil wurden die Allgemeinen Bedingungen zur Vermögensschadenhaftpflichtversicherung für Organe und leitende Angestellte der Beklagten von 1998 (AVB OLA 98), deren § 6 wie folgt lautet:
"Bei der Prüfung, ob Versicherungsschutz besteht, werden einer versicherten Person keine bei anderen versicherten Personen gegebenen Tatsachen zugeschrieben oder vorhandene Kenntnisse zugerechnet."
Bei Antragstellung füllte Herr Sch. den Fragebogen zur ...-Versicherung der Beklagten aus und beantwortete die Frage 15, welche wie folgt lautet, mit "Nein":
"Ist jemals gegen die Versicherungsnehmerin oder Tochterunternehmen oder eine zu versichernde Person ein Anspruch geltend gemacht worden, der unter die Deckung dieser Versicherung fallen könnte, oder sind Umstände bekannt, die zu einem solchen Anspruch führen könnten?"
Später stellte sich heraus, dass die C. durch ihren damaligen Vorstandsvorsitzenden Sch. in den Jahren 1998 bis 2000 u.a. falsche Bilanzen ausgewiesen, Scheinrechnungen erstellt und Eingangsrechnungen fingiert hatte, um Anleger pp. über ihre Umsätze zu täuschen. Vor allem wurden Scheingeschäfte mit einem erfundenen Unternehmen in Hongkong ausgewiesen. Diese falschen Unterlagen wurden auch der Beklagten bei den Verhandlungen über den Abschluss des Vertrages vorgelegt, ohne dass die Beklagte die Unrichtigkeit erkannte oder ihr diese offenbart wurde. Auch der Kläger hatte von den genannten Vorgängen bei der C. zunächst keine Kenntnis. Er informierte die Beklagte unverzüglich nach Kenntniserlangung mit Schreiben vom 25.2.2002 von eventuellen Unregelmäßigkeiten bei der C. Weiterhin gab er der Beklagten mit Schreiben vom 11.4.2002 bekannt, dass er möglicherweise in einem der D.&O.-Versicherung unterfallenden Schadensfall von einem Aktionär der C. AG zivilrechtlich in Anspruch genommen werden könnte.
Die Beklagte erklärte sodann mit Schreiben vom 16.4.2002 ggü. dem neuen Vorstandsvorsitzenden der C. AG Sch. den Rücktritt vom Versicherungsvertrag gem. §§ 16, 17 VVG sowie die Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung.
Hilfsweise stützt sich die Beklagte auf eine außerordentliche Kündigung gem. § 24 Abs. 1 VVG, jedenfalls aber eine ordentliche Kündigung nach § 8 Abs. 1 AVB OLA 98.
Der Kläger h...