Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweislast für Versicherungsfall in einem die freie Geistestätigkeit ausschließenden Zustand
Leitsatz (amtlich)
Steht fest, dass der Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt worden ist, hat der Versicherungsnehmer darzulegen und ggf. zu beweisen, dass seine Willensbildung durch eine Bewusstseinsstörung nicht mehr frei war, um die Leistungsfreiheit gem. § 61 VVG nicht eintreten zu lassen.
Normenkette
VVG § 61
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Urteil vom 12.08.2004; Aktenzeichen 7 O 29/02) |
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des LG Wuppertal vom 12.8.2004 - 7 O 29/02 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung haben die Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Kläger machen ggü. der Beklagten Kaskoansprüche aus einer Fahrzeugversicherung geltend, die von dem Ehemann der Klägerin und Vater des Klägers bei der Beklagten für den Pkw Opel Astra unterhalten wurde. Der Versicherungsnehmer ist am 18.4.2001 infolge einer Selbsttötung, bei der er das genannte Fahrzeug mit der Folge eines Totalschadens in Brand setzte, verstorben und von den Klägern beerbt worden. Den Brand hatte er mit zuvor am 18.4.2001 käuflich erworbenem Benzin gelegt. Ebenfalls am 18.4.2001 hatte der Versicherungsnehmer die Kanister zum Transport des Benzins und Ätherflüssigkeit gekauft, welche wahrscheinlich seiner Betäubung dienen sollte.
Die Kläger haben behauptet, der Versicherungsnehmer habe sich am 18.4.2001 in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befunden. Der Wagen habe einen Restwert i.H.v. 500 DM und einen Wiederbeschaffungswert i.H.v. 19.900 DM gehabt. Sie haben die Auffassung vertreten, der Restwert könne nicht in Ansatz gebracht werden, so dass sich nach Abzug der Selbstbeteiligung i.H.v. 650 DM ein zu ersetzender Schaden von 19.250 DM = 9.842,37 EUR ergebe.
Die Kläger haben beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 9.842,37 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 16.8.2001 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, nicht zum Schadensersatz verpflichtet zu sein, da der Versicherungsnehmer das Fahrzeug vorsätzlich in Brand gesetzt habe.
Das LG hat die Klage nach Beweiserhebung durch Vernehmung eines Zeugen, Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens und mündliche Anhörung des Sachverständigen mit Urteil vom 12.8.2004 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte sei nach § 61 VVG leistungsfrei. Die unstreitigen Abläufe am 18.4.2001 indizierten eine vorsätzliche Brandstiftung. Den ihnen obliegenden Beweis, dass sich der Versicherungsnehmer am 18.4.2001 in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befunden habe, hätten die Kläger nicht erbracht. Zwar habe der den Versicherungsnehmer behandelnde Arzt Dr. T. in seiner Stellungnahme vom 1.3.2004 eine schwere depressive Episode (F32.2) mit hierdurch bedingter Aufhebung der Willensfreiheit bestätigt, diese Einschätzung jedoch weder mit Tatsachen belegt noch in der Vernehmung vor der Kammer nachvollziehbar zu begründen vermocht. Der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. Dr. H. sei aufgrund des Hergang des Suizids und der seit längerem bestehenden depressiven Krise des Versicherungsnehmers mit wiederkehrenden Suizidgedanken zu dem Ergebnis gekommen, dass sich der Versicherungsnehmer nicht in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befunden habe. Im Zuge dieser Feststellung habe sich der gerichtliche Sachverständige auch mit der Einschätzung des Zeugen Dr. T. auseinander gesetzt und ausgeführt, dass nach Aktenlage kein Hinweis auf eine schwere depressive Episode des Versicherungsnehmers vorliege. Nur bei einer solchen sei mit einer derart massiven Einschränkung der freien Willensbestimmung zu rechnen, wie sie hier behauptet werde.
Hiergegen wenden sich die Kläger mit der Berufung und machen geltend, das LG habe die Beweislast verkannt. Der Vorsatz i.S.v. § 61 VVG sei vom Versicherer nach § 286 ZPO voll zu beweisen. Eventuelle Zweifel müssten daher zu Lasten der Beklagten gehen. Solche Zweifel seien aber nicht angebracht, da der Zeuge Dr. T. eine schwere depressive Episode des Versicherungsnehmers (F32.2) und eine damit einhergehende Aufhebung der Willensfreiheit bestätigt habe. Die vom LG vorgebrachten Bedenken hinsichtlich der Feststellungen des Zeugen seien nicht gerechtfertigt, da dieser seine Stellungnahme vom 2.6.2003 begründet habe. Im Übrigen hätte das Gericht anlässlich der mündlichen Anhörung des Zeugen Nachfragen stellen müssen, wenn es seine Angaben für nicht vollständig hielt. Die gutachterliche Stellungnahme des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. Dr. H. sei in sich widersprüchlich, nicht überzeugend und habe zur Aufklärung der Beweisfragen nicht beigetragen.
Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil ab...