Leitsatz (amtlich)
1. Bei vertraglichen Unterlassungsansprüchen besteht das allgemeine bzw. das besondere Rechtschutzbedürfnis gemäß § 259 ZPO, wenn zu besorgen ist, dass der Schuldner seiner vertraglichen Verpflichtung zuwider handeln wird. Daran können zwar Zweifel bestehen, wenn es noch nicht zu Zuwiderhandlungen gekommen ist, indes ist das gesamte Verhalten des Schuldners zu würdigen und auch, ob er den Bestand der vertraglichen Unterlassungspflicht in Abrede stellt.
2. Solange eine Vertragsverletzung oder der pflichtwidrig geschaffene Zustand andauert, kann sich aus § 280 Abs. 1 BGB ein Unterlassungsanspruch ergeben.
3. Bei Konkurrenz-/Mandantenschutzklauseln sind Unterschiede zwischen den Fallgruppen eines aus einer Gesellschaft ausscheidenden Gesellschafters bzw. Geschäftsführers und eines Unternehmens- bzw. Mandanten-/Mandatkaufs bei der Bemessung der zulässigen Höchstdauer angemessen zu berücksichtigen.
4. Bei einem Mandanten-/Mandatskauf sind Wettbewerbsverbote regelmäßig in dem Ausmaß zulässig, das den berechtigten Interessen des Erwerbers bzw. des Veräußerers (unter Berücksichtigung von Art. 12 GG) entspricht, das Allgemeininteresse an einem funktionierenden Wettbewerb respektiert bzw. wenn und soweit das Wettbewerbsverbot notwendig ist, um den Erwerber vor der illoyalen Verwertung von (unter befristetem Konkurrenzschutz veräußerten) Arbeitserfolgen, die sich in den verkauften Mandaten widerspiegeln, durch den Veräußerer zu schützen.
5. Ein Wettbewerbsverbot des Verkäufers kann sich bei einem Unternehmens- bzw. Mandanten-/Mandatkauf bereits aus der kaufrechtlichen Verschaffungs-/Leistungspflicht des Verkäufers nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) als ungeschriebene Nebenpflicht bzw. nachvertragliche Treuepflicht des Verkäufers auch ohne gesonderte Vereinbarung ergeben.
6. Ebenso wie bei einer Karenzentschädigung bei Ausscheiden aus einer Gesellschaft ist auch bei einem Unternehmens- bzw. Mandanten/Mandatskauf zu berücksichtigen, dass im Kaufpreis regelmäßig der wirtschaftliche Wert des Wettbewerbsverbots (und zwar unter Berücksichtigung seiner konkreten - hier fünfjährigen - Dauer ab Ende der Überleitungsphase) von den Parteien mit einkalkuliert worden ist.
7. Bei einem zeitlichen Übermaß ist ein Wettbewerbsverbot im Wege geltungserhaltender Reduktion auf das zulässige Maß zu beschränken, soweit es nicht zugleich auch aus anderen Gründen als der unangemessenen Laufzeit sittenwidrig ist.
8. Die Androhung eines Ordnungsgeldes gemäß § 890 Abs. 2 ZPO setzt weder eine Zuwiderhandlung des Schuldners noch ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis der Gläubigerin voraus.
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Urteil vom 23.01.2015; Aktenzeichen 2 O 116/14) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 2. Zivilkammer des LG Wuppertal vom 23.1.2015 abgeändert und unter Zurückweisung der weiter gehenden Berufung insgesamt wie folgt neugefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, bis zum 26.12.2016 für folgende Mandanten der Klägerin mittelbar oder unmittelbar steuerlich tätig zu werden und diese steuerlich zu beraten:
Dem Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe von 10.000 EUR und ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft von einem Monat angedroht.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits - einschließlich der Kosten des Streithelfers der Klägerin - werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten wird gestattet, die Zwangsvollstreckung der Klägerin in der Sache (Unterlassung) durch Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000 EUR abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin macht gegen den Beklagten auf Grundlage der Konkurrenzschutzregelung in einem Kaufvertrag vom 06.12.2005 über ca. 250 bestimmte Mandate bzw. Mandatsbeziehungen (vorbehaltlich der Zustimmung aller Mandanten) mit einem jährlichen Umsatzvolumen von ca. 650.000 EUR zum Kaufpreis von 747.500 EUR (115 % des Jahresumsatzes) einen Anspruch auf Unterlassung geltend, bis zum 26.12.2016 für näher bezeichnete Mandanten der Klägerin mittelbar oder unmittelbar steuerlich tätig zu werden und diese steuerlich zu beraten, für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bzw. ersatzweise Ordnungshaft sowie einen Anspruch auf vorgerichtliche Kosten nebst Verzugszinsen. Wegen weiterer Einzelheiten wird gemäß § 540 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Das LG hat - nach Erörterung (vgl. 180 GA) - die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch bestehe nicht. Die Konkurrenzschutzklausel gemäß § 138 Abs. 1 BGB sei nichtig, da sie - nach den Maßstäben der Rechtsprechung des BGH - als Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit zeitlich und gegenständlich das notwendige Maß überschreite, zumal solche Regelungen zeitlich gru...