Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Frage, ob ein Architekt an eine Pauschalhonorarvereinbarung im Falle einer Unterschreitung der Mindestsätze gemäß § 242 BGB gebunden ist (vgl. BGH, Urteil vom 22.05.1997, VII ZR 290/95, NJW 1997, 2339; BGH, Urteil vom 18.05.2000, VII ZR 69/99, BauR 2000, 1512), sind sein gesamtes vorvertragliches und vertragliches Verhalten, Leistungsumfang, zuvor bereits für Dritte erbrachte Vorleistungen, nachträgliche Leistungsänderungen, Höhe des vereinbarten Pauschalhonorars, Bezugnahmen auf das Pauschalhonorar im Rahmen von Rechnungen sowie Zeitpunkt und Umfang der erstmaligen Geltendmachung höheren Honorars zu berücksichtigen.
2. Die Frage der Bindungswirkung einer Schlussrechnung ist in diesem Zusammenhang nur eine von mehreren Aspekten im Rahmen der notwendigen Prüfung des Gesamtverhaltens des Architekten gemäß § 242 BGB.
3. Ein Vertrauen des Auftraggebers auf die Wirksamkeit einer Pauschalhonorarvereinbarung kann sich aus der allgemeinen Lebenserfahrung ergeben, dass eine Kauf- und Investitionsentscheidung nicht vor Klärung bzw. Kalkulation der maßgeblichen Kostenfaktoren (einschl. Architektenkosten) erfolgt. Bei der Vertrauensabwägung ist auch dem Umstand Bedeutung beizumessen, auf wessen Initiative die Pauschalhonorarvereinbarung getroffen wurde bzw. ob der Architekt die Verfahrensweise bei deren Abschluss aktiv vorgegeben hat.
4. Einem im Immobilienbereich tätigen Auftraggeber sind nicht ohne weiteres weitreichende Kenntnisse der HOAI zuzurechnen.
5. Bei einem Immobilienunternehmen, das auf Grundlage der Pauschalhonorarvereinbarung seine Kalkulation vornimmt und wirtschaftlich weitreichende Entscheidungen (insbesondere den Ankauf eines Sanierungsgrundstücks) trifft, kann davon ausgegangen werden, dass es sich auf die getroffene Pauschalhonorarvereinbarung derart eingerichtet hat, dass ihm eine Mehrforderung gemäß HOAI (hier rund 6 % der Objektkaufpreises) wegen Treuwidrigkeit nicht zumutbar ist.
6. Der Architekt kann sich nicht auf einen Verstoß gegen das Schriftformerfordernis gemäß §§ 4 HOAI, 126 BGB stützen, wenn dies insoweit zu einem unerträglichen Ergebnis führen würde (§ 242 BGB), als er durch die von ihm selbst initiierte Gestaltung des schriftlichen Angebots und die von ihm damit vorgegebene und eingeschlagene Verfahrensweise im Rahmen von Abschluss und Durchführung der Pauschalhonorarvereinbarung bei seinem Auftraggeber aktiv das berechtigte Vertrauen erweckt hat, eine formwirksame Pauschalhonorarvereinbarung zu schließen.
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Entscheidung vom 24.11.2009) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Einzelrichterin der 7. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 24. November 2009 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird gestattet, die Zwangsvollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A.
Die Klägerin macht gegen die Beklagte - unter Abzug von der Beklagten geleisteter Zahlungen in Höhe von 37.000 EUR - Architektenhonorar für die Leistungsphasen 1 bis 4 in Höhe von zunächst 326.458,79 EUR (gemäß Rechnung vom 21.11.2007, 6 ff. GA) und nunmehr 264.950,36 EUR (gemäß Rechnung vom 09.01.2009, 58 GA) nebst Zinsen im Rahmen der Sanierung von 9 Wohnhäusern in einem ehemaligen Plattenbaugebiet in B geltend. Wegen weiterer Einzelheiten wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 3.000 EUR nebst Zinsen entsprochen, sie im Übrigen abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Parteien hätten zwar einen Architektenvertrag mit einer Pauschalhonorarvereinbarung getroffen, die unabhängig vom streitigen Zugang der Auftragsbestätigung vom 16.11.2006 (74 GA) bereits mangels Urkundeneinheit formnichtig sei. Der Klägerin sei jedoch - unter Berücksichtigung des Urteils des BGH vom 05.11.1992 (VII ZR 52/91, NJW 1993, 659, dort Rn 24) - die Berufung auf die Formnichtigkeit gemäß § 242 BGB versagt, weil sie am 31.05.2007 eine Schlussrechnung auf Grundlage der formnichtigen Pauschalhonorarvereinbarung erstellt habe. Die Rechnung vom 31.05.2007 sei auch ohne ausdrückliche Bezeichnung in Zusammenschau mit den Rechnungen vom 30.11.2006 (76 GA) und 23.03.2007 (77 GA) und dem diesbezüglichen Verhalten der Klägerin nach dem objektiven Empfängerhorizont eine Schlussrechnung. Die Beklagte könne sich nicht auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen einer Pflichtverletzung der Klägerin in Zusammenhang mit der Tätigkeit der Klägerin im Baugenehmigungsverfahren berufen (vgl. im einzelnen Seite 7, dort unter 2.). Zinsen schulde die Beklagte aus Verzug unter Berücksichtigung des Zahlungsziels der Rechnung vom 31.05.2008 bi...