Leitsatz (amtlich)
1. Äußerungen des Patentinhabers im Rechtsbestandsverfahren können zwar ebenso wie Äußerungen des Anmelders im Erteilungsverfahren als Indiz dafür heranzuziehen sein, wie der Fachmann den Gegenstand des Patents versteht. Einer solchen Äußerung kann jedoch regelmäßig keine maßgebliche indizielle Bedeutung für das Verständnis eines Anspruchsmerkmals beigemessen werden, wenn mit der Entscheidung der fachkundigen Rechtsbestandsinstanz eine (gewichtige) gegenteilige sachverständige Äußerung vorliegt.
2. Bei einem Widerspruch zwischen Urteilstenor und Entscheidungsgründen ist grundsätzlich der Tenor maßgebend.
3. Der Patentinhaber kann regelmäßig vom Patentverletzer verlangen, die Auskunft und Rechnungslegung in elektronisch auswertbarer Form zu erhalten (Fortführung von OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.08.2020 - I-2 U 10/19, GRUR-RS 2020, 44647 - Zündkerze).
4. Zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes hat der Patentinhaber Anspruch darauf, dass der Verletzer ihm den erfolgten Rückruf durch die Vorlage eines Musters seiner Rückrufschreiben sowie einer Liste mit den Adressaten des Rückrufschreibens oder durch Kopien sämtlicher versendeter Schreiben nachweist (Fortführung von OLG Düsseldorf, GRUR 2022, 79 - Rückrufvollstreckung I; Urt. v. 11.11.2021 - I-15 U 25/20, GRUR-RS 2021, 37635 - Sanitäre Einsetzeinheit).
5. Im Fall der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 PatG stehen dem Patentinhaber wegen in der Zeit zwischen dem Erlöschen und dem Wiederinkrafttreten des Patents begangener Benutzungshandlungen auch keine Bereicherungsansprüche gegen den Patentbenutzer zu.
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Aktenzeichen 4c O 20/22) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das am 13. Juni 2023 verkündete Urteil der 4c Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass
- im Tenor zu I. 1. des landgerichtlichen Urteils einleitend nach dem Wort "Kinderreisesitzbasen" die Formulierung "und/oder Kinderreisesitze mit Kinderreisesitzbasen" gestrichen wird;
- es im Tenor zu I. 2. des landgerichtlichen Urteils einleitend statt "der Klägerin jeweils unter Vorlage eines einheitlichen, chronologisch geordneten, elektronischen und durchsuchbaren Verzeichnisses Auskunft zu erteilen" heißt: "der Klägerin in elektronischer Form Auskunft zu erteilen";
- es im Tenor zu I. 3. des landgerichtlichen Urteils einleitend statt "der Klägerin jeweils unter Vorlage eines einheitlichen, chronologisch geordneten (in elektronisch durchsuchbarer Tabellenform) Rechnung zu legen" heißt: "der Klägerin in elektronischer Form Rechnung zu legen";
- der Tenor zu I. 4. des landgerichtlichen Urteils wie folgt gefasst wird:
nur die Beklagte zu 1.: die unter Ziff. I.1. bezeichneten Kinderreisesitzbasen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befinden, zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre - der Beklagten zu 1. - Kosten herauszugeben.
II. Auf die Anschlussberufung der Beklagten wird das vorgenannte Urteil - unter Zurückweisung der weitergehenden Anschlussberufung - teilweise dahingehend abgeändert, dass der Tenor zu I. 5. wie folgt gefasst wird:
die unter Ziff. I.1. bezeichneten, seit dem 11. Juni 2014 (mit Ausnahme der Zeit vom 1. Mai 2021 bis zum 28. März 2022) in der Bundesrepublik Deutschland in den Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern schriftlich unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des LG Düsseldorf vom 13. Juni 2023) festgestellten Zustand der Kinderreisesitzbasis und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten, sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen,
wobei die Beklagten der Klägerin den Rückruf durch die Vorlage eines Musters ihrer Rückrufschreiben sowie einer Liste mit den Empfängern der Rückrufschreiben oder durch Kopien sämtlicher versendeter Rückrufschreiben nachzuweisen hat.
III. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagten 95 % und die Klägerin 5 % zu tragen.
IV. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar.
Den Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 525.000,00 EUR abzuwenden, falls nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten wegen ihrer Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, falls nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
VI. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 525.000,00 EUR festgesetzt, wovon auf die Berufung der Beklagten 500.000,00 EUR und auf die Anschlussberufung der Klägerin 25.000,00 EUR entfallen.
Gründe
I. Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des auch m...