Leitsatz (amtlich)

›1. In der Haftpflichtversicherung ist vom Ausschlußgrund der vorsätzlichen Herbeiführung der Verletzungsfolgen durch den Versicherungsnehmer auszugehen,

- wenn dieser unter Alkoholeinfluß den Geschädigten grundlos mit einem Faustschlag an den Kopf zu Boden gestreckt und anschließend den Kopf des Opfers zusätzlich auf den Boden geschlagen hat

- und wenn der 40 Jahre alte Versicherungsnehmer bereits nach einer ähnlichen Tat in angetrunkenem Zustand wegen gefährlicher Körperverletzung strafrechtlich verurteilt worden war, so daß für ihn Gefährlichkeit und Folgen seiner späteren Angriffshandlungen auch bei erheblicher Trunkenheit auf der Hand lagen.

2. Ist im Haftpflichtprozeß lediglich ein schuldhaftes Handeln des Versicherungsnehmers festgestellt worden, so ist - ungeachtet der Bindungswirkung des im Haftpflichtprozesses ergangenen Urteils - im Deckungsprozeß zu entscheiden, ob der Versicherungsnehmer vorsätzlich im Sinne der §§ 152 VVG, 4 II Nr. 1 AHB gehandelt hat.‹

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Aktenzeichen 11 O 357/97)

 

Gründe

Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer bei ihr unterhaltenen Privathaftpflichtversicherung auf Zahlung an sich und auf Feststellung ihrer Leistungspflicht für die Zukunft in Anspruch.

Der Kläger war am 24. Januar 1993 an einer tätlichen Auseinandersetzung in der Gaststätte "... ..." in R. beteiligt, bei der ein Herr K. verletzt wurde. Ausweislich der ärztlichen Bescheinigung, die der Verletzte in dem gegen den Kläger eingeleiteten Ermittlungsverfahren (901 Js 837/93 Staatsanwaltschaft Düsseldorf) vorlegte (BA 85 ff.), wurde er wegen einer Gehirnerschütterung vom 24. bis zum 30. Januar 1993 stationär beobachtet. Bis zum 26. Februar 1993 war er dienstunfähig. Außerdem erlitt er eine Schädelprellung. Mit Urteil vom 15. Januar 1997 (GA 11) verurteilte das Landgericht Düsseldorf (23 S 30/95) den Kläger, an den Krankenversicherer des Geschädigten aus übergegangenem Recht gemäß § 823 Abs. 1 BGB Schadensersatz zu leisten. In den Entscheidungsgründen des Urteils heißt es u. a., der Kläger habe Herrn K. an Körper und Gesundheit verletzt, indem er mehrfach auf ihn eingeschlagen habe. Er habe K. einen Faustschlag an den Kopf versetzt, worauf dieser zu Boden gegangen sei. Später habe der Kläger den Kopf des bereits Niedergeschlagenen zusätzlich auf den Boden geschlagen. Sein Handeln sei rechtswidrig und schuldhaft gewesen.

Die Beklagte hat ihre Eintrittspflicht vorprozessual unter Hinweis auf § 4 II 1 AHB mit der Begründung verneint, der Kläger habe den Schaden vorsätzlich herbeigeführt.

Das gegen den Kläger eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde mit Verfügung vom 2. Dezember 1996 (BA 130) mit der Begründung eingestellt, seine Täterschaft sei aufgrund widersprechender Zeugenaussagen nicht nachweisbar.

Den Betrag, zu dessen Zahlung er verurteilt wurde, sowie die Kosten des Haftpflichtprozesses macht der Kläger mit seinem Zahlungsantrag geltend.

Er hat behauptet, zu dem Schadensereignis sei es durch eine Verkettung unglücklicher Umstände gekommen. Im übrigen sei seine Zurechnungsfähigkeit alkoholbedingt soweit herabgesetzt gewesen, daß er die Auswirkungen und rechtlichen Konsequenzen seines Handelns nicht habe einschätzen können.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.900,77 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 17. 06. 1993 sowie 4.178,50 DM zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 06. 11. 1997 und weitere 3.172,53 DM nebst 4 % Zinsen aus 1.834,52 DM seit dem 27. 02. 1997, 4 % Zinsen aus 807,88 DM seit dem 06. 03. 1997 und 4 % Zinsen aus 1.070,13 DM seit dem 02. 04. 1997 zu zahlen,

2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihm jedweden weiteren materiellen Schaden, der ihm aus dem Schadensereignis vom 24. 01. 1993, festgestellt durch Urteil des LG Düsseldorf vom 15. 01. 1997 - 23 S 30/95, erwachse, zu erstatten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, der Kläger habe den Geschädigten vorsätzlich und brutal verletzt. Durch sein Verhalten habe er gezeigt, daß er ihn habe verletzen und ihm Schaden, zumindest aber erhebliche Schmerzen habe zufügen wollen.

Das Landgericht hat die Klage ohne Beweisaufnahme abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es u. a. ausgeführt, dem Kläger stehe gegen die Beklagte aus dem Versicherungsvertrag kein Ersatzanspruch zu. Sie berufe sich zu Recht auf den Ausschlußtatbestand des § 4 II (1) AHB. Aufgrund der Bindungswirkung des im Haftpflichtprozeß verkündeten Urteils stehe fest, daß der Kläger Herrn K. am 24. Januar 1993 rechtswidrig und schuldhaft an Körper und der Gesundheit verletzt habe, indem er mehrfach auf ihn einschlug. Aufgrund der Art und Weise der Tatausführung stehe auch fest, daß er den Schaden, den Herr K. davongetragen habe, zumindest bedingt vorsätzlich herbeigeführt habe. Der Kläger könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, seine Zurechnungsfähigkeit sei infolge des zuvor genossenen Alkohols herabgesetzt gewesen. Da er keine Angaben zu Art und Menge des konsumierten Alkohols gemacht habe, ...

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