Leitsatz (amtlich)
1. Übernimmt ein Steuerberater die steuerliche Beratung einer Gesellschaft, deren Gesellschafter – für ihn erkennbar – in demselben Geschäftsbereich im Ausland eine weitere Gesellschaft gegründet haben, die in Konkurrenz zu der Muttergesellschaft treten kann, so ist der Steuerberater verpflichtet, zumindest in allgemeiner Form auf mögliche Probleme hinzuweisen, die sich im Zusammenhang mit der Besteuerung des Gewinns der ausländischen Gesellschaft ergeben können (z.B. verdeckte Gewinnausschüttung). Zu einer ins einzelne gehenden, abschließenden Überprüfung ist der Steuerberater aber insb. bei komplexen Sachverhalten nur aufgrund eines gesonderten Prüfauftrags verpflichtet.
2. Macht der Mandant einen Schaden wegen der Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung durch die Finanzverwaltung geltend und hängt letzteres von Kriterien ab, die der Steuerberater auch bei pflichtgemäßer Beratung nicht hätte beeinflussen können, so fehlt es an der Ursächlichkeit einer im Beratungszeitpunkt gegebenen Pflichtverletzung für den geltend gemachten Schaden. Das gilt auch dann, wenn die fehlenden Auswirkungen der Pflichtverletzung darauf beruhen, dass sich zwischen Pflichtverletzung und Schadenseintritt die Rspr. der Finanzgerichte geändert hat.
3. Der haftpflichtige Berater hat dem Mandanten vermögensmäßig lediglich so zu stellen, wie dieser bei pflichtgemäßem Verhalten stünde; der Geschädigte darf im Wege des Schadensersatzes nicht mehr erhalten als das, was er nach der materiellen Rechtslage verlangen kann. Die hierzu erforderliche Differenzrechnung setzt einen Gesamtvermögensvergleich voraus, bei der alle Folgen des schädigenden Ereignisses zu berücksichtigen sind, die bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung eingetreten oder mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind.
4. Dem Berufungsführer steht es frei, seine rechtliche Bewertung der vom Berufungsgericht nach § 529 ZPO zu berücksichtigenden Tatsachen auch außerhalb der Berufungsbegründung in den Grenzen, die § 533 ZPO setzt, zu ergänzen. Ein Verstoß gegen § 520 Abs. 3 ZPO liegt hierin nicht.
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Urteil vom 05.06.2002; Aktenzeichen 3 O 28/01) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufungen der Beklagten zu 1) bis 3) gegen das am 5.6.2002 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des LG Wuppertal werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagte zu 1) zu 79 %, die Beklagte zu 2) zu 7 % und der Beklagte zu 3) zu 14 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Klägerin macht mit der Klage Honorarforderungen aus der steuerlichen Beratung der Beklagten geltend. Die Beklagten rechnen hiergegen mit einer Schadensersatzforderung auf und machen den überschießenden Betrag im Wege der Widerklage mit der Begründung geltend, die Klägerin habe sie nicht ausreichend über die Gefahren einer verdeckten Gewinnausschüttung unterrichtet. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil (Bl. 536 ff. GA) Bezug genommen.
Das LG hat der Klage stattgegeben und die zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen der Beklagten verneint. Hiergegen wenden sich die Berufungen der Beklagten. Ihre erstinstanzlich noch erhobenen gebührenrechtlichen Einwendungen gegen die Klageforderungen machen sie nicht mehr geltend. Ebenso verfolgen sie ihre Schadensersatzansprüche nur noch teilweise, nämlich hinsichtlich der angeblich unzureichenden Beratung der Klägerin zu der verdeckten Gewinnausschüttung vor und während des finanzgerichtlichen Verfahrens, indes nicht mehr hinsichtlich der erstinstanzlich darüber hinaus noch behaupteten sonstigen Pflichtverletzungen der Klägerin weiter.
Die Beklagten haben im Berufungsverfahrens zunächst hinsichtlich der Beratung zur verdeckten Gewinnausschüttung ihren erstinstanzlichen Vortrag wiederholt und die Ansicht vertreten, mit einer Entgeltvereinbarung im Jahre 1994 hätten die spätere Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung durch das Finanzgericht und die entsprechenden steuerlichen Belastungen der Beklagten vermieden werden können. Die Pflichtverletzung der Klägerin liege darin, dass sie sie – die Beklagten – nicht entspr. beraten habe. Auf einen Hinweis des Senats verfolgen die Beklagten diese Argumentation nicht mehr weiter, weil mit Blick auf eine geänderte Rspr. des BFH zur verdeckten Gewinnausschüttung bei einer Tätigkeit der Gesellschafter, die mit der Gesellschaft konkurriert, eine Kausalität der pflichtwidrig unterbliebenen Beratung der Klägerin im Jahre 1994 zu verneinen sei. Sie stützen ihre Gegenforderungen aber nunmehr auf die Ansicht, die Klägerin habe ihnen im J...