Verfahrensgang
LG Kleve (Urteil vom 27.01.1989; Aktenzeichen 3 O 373/88) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 27. Januar 1989 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kleve wird zurückgewiesen.
Die Kosten des zweiten Rechtszugs werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin ist Eigentümerin eines Hausgrundstücks an der S. Straße in K. – F. (N.).
Auf dem gegenüberliegenden Grundbesitz der Beklagten stehen entlang der Grenze zur Straße 15 oder 17 Pappeln, davon 11 oder 12 direkt gegenüber dem Grundstück der Klägerin.
Die Klägerin hat vorgetragen:
Von den Pappeln fielen im Frühjahr Kätzchen und im Herbst „zentnerweise” Blätter und Äste auf ihr Grundstück. Während dieser Zeiten müsse sie Dach und Dachrinne ihres Hauses mindestens zweimal pro Woche reinigen, weil Kätzchen, Blätter und Zweige regelmäßig die Dachrinne verstopften. Im Frühjahr müsse sie den Garten zweimal pro Woche reinigen, um zu verhindern, daß sich Pappeln auf ihrem Grundstück anpflanzten. Im Herbst fielen solche Mengen Laub und Zweige an, daß der Garten mindestens zweimal monatlich gereinigt werden müsse. Der Arbeitsaufwand belaufe sich auf mindestens 264 Stunden pro Jahr und sei ihr angesichts ihres Alters von 66 Jahren nicht mehr zuzumuten. Außerdem stellten die Bäume eine Gefahr für ihr Grundstück dar. Sie seien alt und morsch, und einige stünden schief.
Die Klägerin hat die Beklagte auf Entfernung von 17 Pappeln, hilfsweise auf Ersatz von (künftigen) Reinigungskosten in Höhe von jährlich 7.113,80 DM, sowie auf Ersatz von 5.573,34 DM (4.693,34 DM + 880,00 DM) Reinigungskosten für die Jahre 1986 bis 1988 in Anspruch genommen.
Die Beklagte hat um Klageabweisung gebeten. Sie hat behauptet, die Anfang der 50er Jahre gepflanzten Pappeln seien ein notwendiger Schutz ihres Grundstücks gegen Wind und Wetter, und eine Beeinträchtigung des Grundbesitzes der Klägerin bestritten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der Gründe wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.
In der Berufung verfolgt die Klägerin ihre Anträge mit einer Beschränkung des Hilfsantrags auf 15.000 DM für die Jahre 1989 und 1990 weiter. Die Beklagte bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels. Beide Parteien ergänzen ihr Vorbringen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien und die zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen, soweit sie Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren oder nach § 283 ZPO zu berücksichtigen sind.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist unbegründet. Die Klägerin kann von der Beklagten weder die Entfernung der Pappeln noch einen Ausgleich in Geld verlangen.
I.
Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, daß die Pappeln entfernt werden:
1. Es erscheint schon fraglich, ob Laub, Kätzchen oder Blüten und kleinere Zweige zu den „Beeinträchtigungen” zählen, deren Beseitigung der Eigentümer nach §§ 906, 1004 Abs. 1 BGB von dem Nachbarn verlangen kann. Zwar ist für den Abwehranspruch unerheblich, daß die „Zufuhr” auf natürlichem Wege – durch Wind – erfolgt. Denn die Frage, ob der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist, stellt sich überhaupt nur unter dieser Voraussetzung; die Zuführung auf künstlichem Wege ist nach § 906 Abs. 3 BGB ausnahmslos unzulässig. Der nachbarrechtliche Abwehranspruch „paßt” jedoch nicht auf die Fälle, in denen die Einwirkung, die von dem anderen Grundstück ausgeht und auf natürliche Weise übertragen wird, ihrerseits eine Folge des Wirkens von Naturkräften ist:
a) Rein tatsächliche Auswirkungen eines Grundstücks, die ausschließlich durch das Wirken von Naturkräften ausgelöst werden, begründen ohnehin keinen Beseitigungsanspruch gemäß 1004 BGB (BGHZ 90, 255 = NJW 1984, 2207; BGH NJW 1985, 1773). Vielmehr muß hinzukommen, daß die Einwirkung auf das Nachbargrundstück wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers zurückgeht, der als Störer in Anspruch genommen wird. Daher sind Einwirkungen, die auf Naturereignissen beruhen, dem Eigentümer des Grundstücks, von dem sie ausgehen, nur zuzurechnen, wenn er sie durch eigene Handlungen ermöglicht oder durch pflichtwidriges Unterlassen herbeigeführt hat (vgl. BGHZ 90, 255 = NJW 1984, 2207, unter II 2).
b) Was auf einem Grundstück wächst, bestimmt dessen Eigentümer (oder Besitzer) – sei es, daß er Pflanzen oder Bäume selbst gesetzt, sei es, daß er das Grundstück in diesem Zustand übernommen hat. Der Bewuchs eines Grundstücks geht somit auf den Willen des Eigentümers zurück. Daraus folgt aber noch nicht, daß die natürlichen Einwirkungen des Bewuchses auf das Nachbargrundstück dem Eigentümer als Störungen zuzurechnen sind. Gesetzgebungsziel des § 906 BGB war (Nachweise bei BGHZ 90, 255 = NJW 1984, 2207, unter I 1) eine Regelung der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Handlung des Grundeigentümers, die dazu führt, daß Stoffe, Zustände oder Erscheinungen im Sinne dieser Vorschrift entstehen und dann auf natürlichem Wege über die Grundstücksgrenzen hinauswirken, sich als rechtswidrig ...