Verfahrensgang

LG Duisburg (Urteil vom 05.08.1998; Aktenzeichen 3 O 68/98)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 5. August 1998 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

I.

Die Zulässigkeit des Rechtswegs ist in der Berufungsinstanz als gegeben zu betrachten. Zwar dürfte für den vorliegenden Streitfall allein der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten zulässig gewesen sein, § 2 Abs. 1 Nr. 3d ArbGG. Nach § 17a Abs. 5 GVG ist die Zulässigkeit des Rechtsweges in der Rechtsmittelinstanz aber nicht mehr zu überprüfen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Klage ist nach §§ 767 Abs. 1, 794 Abs. 1 Nr. 5, 795, 797 ZPO zulässig und begründet. Das Landgericht hat der Klage zu Recht und mit zutreffendem Ausspruch stattgegeben. Die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde vom 23.10.97 ist unzulässig, weil das in der Urkunde verbriefte Schuldanerkenntnis wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist. Infolge der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung ist entsprechend § 371 S. 1 BGB auch der Anspruch auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung der Urkunde begründet.

1.

Das notarielle Schuldanerkenntnis der Klägerin vom 23.10.97 ist infolge Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig.

Wie vom Landgericht zu Recht ausgeführt worden ist, hat die Beklagte das Schuldanerkenntnis der Klägerin unter Verstoß gegen die guten Sitten erlangt. Der Inhaber der Beklagten nutzte bewußt die für die Klägerin bestehende Zwangslage sowie ihre Unerfahrenheit aus, um sie zur Unterschrift auf der notariellen Urkunde zu veranlassen. Die Tatsache, daß die Klägerin den Inhaber der Beklagten über Monate hinweg fortgesetzt bestohlen hatte, rechtfertigte sein Vorgehen nicht.

Zwar ist nicht zu verkennen, daß die Klägerin die Beklagte durch fortgesetzten Diebstahl in erheblichem Maße geschädigt hat. Die Art und Weise ihres Vorgehens sowie der Umfang des Diebstahls läßt es auch in der Regel als gerechtfertigt erscheinen, ein Detektivbüro mit Ermittlungen zu beauftragen. Ferner ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn eine ertappte Diebin mit ihrer Tat und den daraus erwachsenen Folgen ohne Schonung konfrontiert wird und sich sodann zur Wiedergutmachung des Schadens verpflichtet.

Der Inhaber der Beklagten hat jedoch den zulässigen Rahmen nicht eingehalten, indem er die Verhörsituation und das bestehende Ausbildungsverhältnis dazu benutzte, die Klägerin zum Anerkenntnis der Forderung in einer den unmittelbaren Diebstahlsschaden bei weitem übersteigenden Höhe zu veranlassen. Das vom Inhaber der Beklagten gewählte Vorgehen ist nach seinem Zweck, der leichteren Durchsetzbarkeit einer jedenfalls in ihrer immensen Höhe rechtlich zweifelhaften Forderung, nicht mit den guten Sitten zu vereinbaren.

a) Das Landgericht hat zu Recht angenommen, daß die seinerzeit neunzehnjährige Klägerin, die zu der Beklagten in einem Ausbildungsverhältnis stand, unerfahren (vgl. § 138 Abs. 2 BGB) und nicht in vollem Umfang über die Tragweite der von ihr abgegebenen Erklärung im klaren war. Dem Landgericht ist darin zuzustimmen, daß es einer Person im Alter der Klägerin und ohne abgeschlossene Ausbildung in der Regel nicht möglich ist, sich in einer schwierigen Situation wohlüberlegt und abwägend zu verhalten. Dazu fehlte der Klägerin die allgemeine Lebens- und Geschäftserfahrung, was sich schon daran zeigt, daß sie sich mit ihrer Erklärung der sofortigen Zwangsvollstreckung über eine beträchtliche Summe von 60.000,00 DM nebst 9 % Jahreszinsen aussetzte, ohne daß erkennbar wäre, wie sie soviel Geld aufbringen sollte. Daß sie einen Betrag anerkannte, der noch um mehr als 6.000,00 DM über dem ihr zuvor genannten Betrag von 50.000,00 DM zuzüglich der gestohlenen 3.494,00 DM lag, verdeutlicht zusätzlich, daß sie die Erklärung übereilt und ohne die nötige Überlegung abgab.

b) Schon nach dem zwischen den Parteien unstreitigen Sachverhalt befand sich die Klägerin auch in einer Zwangslage (vgl. § 138 Abs. 2 BGB). Sie wurde zunächst über drei Stunden in Anwesenheit von drei und mehr Personen, darunter zwei Detektive und ihr Arbeitgeber, intensiv befragt. Unmittelbar danach hatte sie in Begleitung des Inhabers des Beklagten den Notar aufzusuchen, um das Schuldanerkenntnis zu unterschreiben. Später stand die gemeinsame Fahrt zur Polizei an, wo – entgegen der anderslautenden erstinstanzlichen Behauptung der Beklagten (Bl. 69 GA) – nicht der angebliche türkische Erpresser der Klägerin angezeigt werden sollte, sondern die Klägerin selbst. Das ergibt sich aus dem ersten Blatt der Strafanzeige vom 23.10.97 (Bl. 80 GA), in der dem Diebstahlsvorwurf noch der Verdacht der Vortäuschung einer Straftat und der falschen Verdächtigung hinzugefügt wurde. Nach der bestehenden Rechtslage mußte die Klägerin sich dagegen weder dem dreistündigen Verhör unterziehen lassen noch die notarielle Urkunde unterschr...

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