Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch des Darlehensnehmers auf anteilige Erstattung des Disagios bei vorzeitiger Darlehensrückzahlung

 

Normenkette

BGB §§ 488, 812

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Urteil vom 22.03.2006; Aktenzeichen 10 O 65/05)

 

Tatbestand

Die Kläger verlangen als Gesamtgläubiger von der Beklagten die Rückzahlung eines von ihnen entrichteten anteiligen Disagios auf einem durch vorzeitige Ablösung beendeten Darlehensvertrag.

Das LG hat die Klage abgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

... III. Die Berufung hat nur teilweise Erfolg.

1. Das LG hat die Klage zu Unrecht mit dem Argument abgewiesen, zwischen den Parteien sei ein laufzeitunabhängiges Disagio vereinbart worden, das den Darlehensnebenkosten zuzuschlagen und deshalb bei vorzeitiger Beendigung des Darlehensvertrages nicht anteilsmäßig zu erstatten sei.

a) Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des BGH ist das Disagio in aller Regel als laufzeitabhängiger Ausgleich für einen niedrigeren Nominalzins anzusehen und kann daher bei vorzeitiger Vertragsbeendigung vom Darlehensnehmer gem. § 812 Abs. 1 BGB anteilig erstattet verlangt werden. Es liegt im Ermessen der Vertragsparteien, wie sie im Rahmen der Vertragsgestaltungsfreiheit das Disagio einstufen und die restliche Behandlung bei vorzeitiger Vertragsbeendigung regeln wollen. Ihr Wille ist im Wege der Auslegung im Einzelfall zu erforschen. Das Disagio hat seine Funktion als Abgeltung des einmaligen Verwaltungsaufwandes bei der Kreditbeschaffung und -gewährung weitgehend verloren und dient in der Bankpraxis nur noch als Rechenfaktor für die Zinsbemessung während des Zinsfestschreibungszeitraums. Dies muss bei der Vertragsauslegung im Zweifel dazu führen, dass das Disagio als laufzeitabhängiger Ausgleich für einen niedrigeren Nominalzins anzusehen ist und daher bei vorzeitiger Vertragsauslegung vom Darlehensnehmer gem. § 812 Abs. 1 BGB erstattet verlangt werden kann (BGH v. 29.5.1990 - XI ZR 231/89, MDR 1991, 147 = WM 1990, 1150 ff.; BGH v. 12.10.1993 - XI ZR 11/93, MDR 1993, 1195 = WM 1993, 2003 ff.; anders noch BGH v. 2.7.1981 - III ZR 8/80, BGHZ 81, 124 ff. = MDR 1981, 914 = WM 1981, 839 ff.).

b) Anders verhält es sich nach der Rechtsprechung des BGH allerdings bei außerhalb des allgemeinen Wettbewerbs auf dem Kapitalmarkt vergebenen Förderkrediten, deren wirtschaftliche Berechnungsfaktoren wegen der mit diesen Krediten verfolgten Förderung wirtschaftspolitischer Ziele durch Investitionsanreize von der ansonsten üblichen Bankpraxis abweicht. Anders als bei Kreditverträgen sonst die Regel, haben hier weder der Kreditgeber noch der Kreditnehmer die Möglichkeit, die konkreten Darlehensbedingungen entscheidend mitzugestalten. Insbesondere Zins und Disagio sind vorgegeben und lassen - wenn überhaupt - nur einen geringfügigen Spielraum für individuelle Vertragsabreden. Sowohl die in die Finanzierungskette eingeschalteten Kreditinstitute als auch die Endkreditnehmer müssen die gemachten Vorgaben entweder akzeptieren oder auf die Fördermittel verzichten. Eine solche Vergabepraxis findet ihre Rechtfertigung darin, dass zinsgünstige und zweckgebundene Darlehen mit öffentlichen Geldern gefördert werden und dem bezweckten wirtschaftspolitischen Erfolg Vorrang vor weitergehenden individuellen Interessen der Partner eines Kreditvertrages eingeräumt wird (BGH v. 12.5.1992 - XI ZR 258/91, MDR 1992, 866 = WM 1992, 1058 - juris Rz. 11). Das Disagio ist fester Bestandteil der bei öffentlichen Förderkrediten in aller Regel ohnehin knappen Kreditkalkulation und steht nicht zur Disposition der Parteien des Kreditvertrages.

Um einen solchen Förderkredit handelte es sich im Streitfall indes nicht. Richtig ist zwar, dass die ausgereichten Kreditmittel öffentlich gefördertes Kapital darstellten, dessen Hingabe nach § 17 BerlinFG steuerlich begünstigt worden ist. Auch wurde mit der durch das BerlinFG zugesagten Steuervergünstigung das wirtschaftspolitische Ziel der Wohnungsbauförderung in Berlin - West verfolgt und ein deutlich unter dem ansonsten für Wohnungsbaukredite üblichen Marktzins liegender Zinssatz ermöglicht. Der Effektivzinssatz betrug bei Vertragsschluss im Streitfall 6,51 %. Der ansonsten auf dem Kapitalmarkt übliche Effektivzinssatz für Kredite im Zeitpunkt des Vertragsschlusses betrug nach den unwidersprochenen Angaben der Beklagte hingegen 8,9 %, wobei die Beklagte nicht darlegt, worauf sie diese Behauptung stützt.

Gleichwohl handelt es sich hier nicht um einen zinsverbilligten Förderkredit, bei dem das vereinbarte Disagio als fester und nicht disponibler Bestandteil der Kreditkalkulation eingebunden war. Nach dem unwidersprochenen Sachvortrag der Kläger war die Beklagte bei der Vereinbarung von Zins und Disagio im Streitfall frei und an keinerlei Vorgaben ihrer Refinanziererin, der H-Bank, gebunden, die die Kreditmittel bei privaten Kunden als Anlagegelder in den Jahren 1989 und 1990 eingeworben hatte. Diesem Sachvortrag ist die Beklagte, die für das Vorliegen eines zinsverbilligten Förderkredites im Sinne der R...

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