Leitsatz (amtlich)
Auch wenn die Parteien eines Handelsvertretervertrags ein Alleinvertriebsrecht des Handelsvertreters nicht vereinbart haben und der Vertreter ausdrücklich keinen vertraglichen Kundenschutz genießt, verstößt der Unternehmer gegen die ihm obliegende Treue- und Loyalitätspflicht, wenn er in bestehende Verträge, die der Handelsvertreter vermittelt hat, eingreift, indem er die Adressen dieser Kunden an andere Händler oder Handelsvertreter weitergibt, damit diese zum Zwecke des Neuabschlusses oder der Verlängerung von Verträgen mit den Kunden Kontakt aufnehmen.
Verfahrensgang
LG Krefeld (Urteil vom 06.01.2004; Aktenzeichen 7 O 87/03) |
Tenor
Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das am 6.1.2004 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des LG Krefeld wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Gründe
Die zulässige Berufung der Verfügungsbeklagten ist unbegründet. Auf die Senatshinweise im Beschluss v. 5.10.2004 wird Bezug genommen. Darüber hinaus gilt im Einzelnen Folgendes:
I. Auf den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag ist Handelsvertreterrecht anzuwenden, weil der Verfügungskläger (im Folgenden nur: Kläger) für die Verfügungsbeklagte (Beklagte) als Handelsvertreter beauftragt worden und tätig geworden ist.
Handelsvertreter ist, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen (§ 84 Abs. 1 S. 1 HGB). Diese Voraussetzungen liegen nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien und dem aus dem Vertriebspartner-Vertrag ersichtlichen Vertragsinhalt (vgl. insb. § 1.1.1, § 3 und § 7) vor. Der Kläger sollte Teilnehmerverhältnisse am Mobilfunkdienst und Dienstleistungsverträge im Festnetzbereich vermitteln und dafür nach § 3 des Vertrages Provision erhalten. Er sollte ferner im Rahmen von nach § 3 provisionspflichtigen Geschäften den Kunden Telefongeräte und Zubehör verkaufen, das von der Beklagten stammte, und sollte dafür sog. Werbekostenzuschüsse erhalten (§ 4.4.1-VV).
Rechtserhebliche Einwände gegen die Beurteilung des Vertrages als Handelsvertretervertrag bringt die Berufung nicht. Es geht vorliegend ausschließlich um die Beurteilung des Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien. Dass der Kläger nicht nur Netzanbieterverträge vermittelte und in dem Zusammenhang Mobiltelefone verkaufte, sondern darüber hinaus mit anderen Waren und Elektronikgeräten handelte, ist unerheblich. Auch die enge Verbindung zwischen Handy-Verkauf und Vermittlungsgeschäft ändert nichts daran, dass hinsichtlich der Vermittlungstätigkeit des Klägers und des insoweit ausdrücklich vereinbarten Provisionsanspruchs die Voraussetzungen des § 84 Abs. 1 HGB vorliegen.
II. Zu Recht hat das LG die Verpflichtung der Beklagten angenommen, Kundenadressen des Klägers nicht an andere Händler oder Dritte weiterzugeben.
Der dem geltend gemachten Anspruch zugrunde liegende Sachverhalt ist unstreitig. Die Beklagte hat bis zum Erlass der einstweiligen Verfügung des LG Adressen von Kunden, die der Kläger geworben hatte, an andere Händler weitergegeben, und zwar zu dem Zweck, diesen die Möglichkeit zu geben, den jeweiligen Kunden für eine Vertragsverlängerung zu werben.
Damit hat die Beklagte - wie sie ausweislich ihrer Berufungsbegründung selbst erkannt hat - dem Kläger Konkurrenz gemacht bzw. solche Konkurrenz aktiv gefördert.
Allein hierauf kommt es jedoch nicht entscheidend an. Es kann daher im vorliegenden Fall offen bleiben, ob und in welchem Umfang einen Unternehmer während der Vertragslaufzeit ein Wettbewerbsverbot treffen kann, wenn - wie hier - ein Alleinvertriebsrecht des Handelsvertreters nicht vereinbart worden ist und der Vertreter ausdrücklich keinen vertraglichen Kundenschutz genießt (ein Wettbewerbsverbot in diesem Fall ablehnend Baumbach/Hopt, HGB, 31. Aufl., § 86a Rz. 17; a.A.: Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer, HGB, 2. Aufl., § 86a Rz. 18; v. Hoyningen/Huene in MünchKomm/HGB, § 86a Rz. 43).
Tatsächlich entscheidend ist vielmehr, dass es vorliegend nicht um die Frage der Zulässigkeit von Wettbewerb geht, sondern um die Frage, ob die Beklagte vertraglich befugt war, in bestehende Verträge, die der Kläger vermittelt hatte, einzugreifen. Diese Befugnis hatte die Beklagte jedoch nicht.
Aus den Regelungen des § 86a Abs. 1 und 2 HGB und der vertraglichen Treue- und Loyalitätspflicht folgt, dass den Unternehmer die Verpflichtung zur Unterstützung und Rücksichtnahme ggü. seinem Handelsvertreter trifft. Aufgrund dessen hat der Unternehmer auf die schutzwürdigen Belange und Interessen seines Vertreters die gebotene Rücksicht zu nehmen, solange und soweit nicht sein Recht auf freie Entscheidung über die Art und Weise der Führung seines Geschäftsbetriebs betroffen ist und Vorrang genießt (BGH v. 26.11.1984 - VIII ZR 214/83, BGHZ 93, 29 [54] = MDR 1985, 837; v. 12.1.1994 - VIII ZR 165/92, BGHZ 124, 351 [354] = MDR 1995, 260; v. 5.6.1996 - VIII ZR 130/96, BGHZ 136, 295 [299 f.] = MDR 1996, 844; Ebenroth/Boujong/Joost/Löwisch, HGB, § 86a Rz. 2 f.;...