Leitsatz (amtlich)
Bei fortbestehenden ehebedingten Nachteilen ist eine Befristung des nachehelichen Unterhalts regelmäßig nicht auszusprechen, kommt jedoch unter außergewöhnlichen Umständen in Betracht (Anschluss an BGH, Urt. v. 2.2.2011 - XII ZR 11/09).
Außergewöhnliche Umstände können gegeben sein, wenn der Unterhaltspflichtige durch die nacheheliche Betreuung gemeinsamer Kinder in seiner beruflichen Entwicklung eingeschränkt ist. Hier kann die Befristung eines Unterhaltsanspruchs trotz fortbestehender ehebedingter Nachteile auf Seiten des Unterhaltsberechtigten rechtfertigen, weil die fehlgeschlagene Lebensplanung bei beiden Ehegatten zu beruflichen Nachteilen geführt hat.
Verfahrensgang
AG Mülheim a.d. Ruhr (Beschluss vom 15.12.2011; Aktenzeichen 22 F 325/10) |
Tenor
I. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des AG Mülheim an der Ruhr vom 15.12.2011 wird zurückgewiesen.
II. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des AG Mülheim an der Ruhr vom 15.12.2011 im Ausspruch zum nachehelichen Unterhalt teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Antragsteller wird unter Zurückweisung des weiter gehenden Unterhaltsantrags verpflichtet, beginnend am 1.5.2012 und befristet bis zum 31.3.2015 an die Antragsgegnerin einen monatlichen Unterhalt i.H.v. 728 EUR, davon 132 EUR Altersvorsorgeunterhalt, jeweils bis zum dritten Werktag eines jeden Monats zu zahlen.
Im Übrigen wird die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Antragsteller 18 % und die Antragsgegnerin 82 %. Hinsichtlich der erstinstanzlichen Kosten bleibt es bei der Entscheidung des AG.
IV. Die sofortige Wirksamkeit wird angeordnet.
V. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 27.072 EUR festgesetzt. Hiervon entfallen 18.744 EUR auf die Beschwerde des Antragstellers und 8.328 EUR auf die Beschwerde der Antragsgegnerin.
Gründe
I. Der Antragsteller und die Antragsgegnerin haben am 9.5.1997 die Ehe miteinander geschlossen, leben seit dem 15.3.2009 voneinander getrennt und sind durch den Verbundbeschluss des AG Mülheim an der Ruhr vom 15.12.2011, der bezüglich Scheidung und Versorgungsausgleich seit dem 24.4.2012 rechtskräftig ist, geschieden worden. Die Unterhaltsansprüche der Antragsgegnerin bis einschließlich April 2012 haben die Beteiligten im Verfahren II-8 UF 17/12 durch Vergleich geregelt.
Die Beteiligten sind die Eltern der Kinder T., geboren am ... 1994, A., geboren am ... 1997, und L., geboren am ... 2001. T. und A. leben im Haushalt des Antragstellers; L. lebt im Haushalt der Antragsgegnerin.
Der Antragsteller ist Diplom-Ingenieur für Maschinenbau. Er ist bei der Firma S. beschäftigt.
Die Antragsgegnerin ist Volljuristin. Sie hat ihr Studium der Rechtswissenschaften im Wintersemester 1986/87 aufgenommen und die erste juristische Staatsprüfung am 8.3.1993 mit der Note voll befriedigend (9,84 Punkte) bestanden. Während des Referendariats wurde der Sohn T. geboren. Nach der Geburt setzte die Antragsgegnerin mit Unterstützung des Antragstellers und einer Kinderfrau ihre Ausbildung fort und legte die zweite juristische Staatsprüfung am 6.8.1996 mit der Note befriedigend (8,62 Punkte) ab. Danach widmete sich die Antragsgegnerin der Kinderbetreuung und Haushaltsführung und war während des weiteren Zusammenlebens nicht mehr berufstätig. Am 15.4.2010 - rund 14 Monate nach der Trennung - nahm sie eine Halbtagsbeschäftigung bei der Firma R. GmbH in M. auf. Das Arbeitsverhältnis endete am 31.12.2011 durch die Kündigung des Arbeitgebers. Im Januar 2012 war die Antragsgegnerin arbeitslos. Seit dem 1.2.2012 übt sie eine Halbtagsbeschäftigung als Syndikat-Anwältin für die Firma B. GmbH aus. In den Monaten Februar bis Mai 2012 sind 39 Überstunden angefallen, die durch Freizeitausgleich abgegolten werden sollen. Eine zeitliche Ausweitung des Beschäftigungsverhältnisses ist der Antragsgegnerin in Aussicht gestellt worden.
Das AG hat den Antragsteller befristet bis März 2015 zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt i.H.v. 1.562 EUR, davon 345 EUR Altersvorsorgeunterhalt, verpflichtet.
Diese Entscheidung greifen beide Beteiligten mit der Beschwerde an.
Die Antragsgegnerin rügt, dass das AG das Einkommen des Antragstellers zu gering bemessen habe.
Ihr selber könne nur ihr tatsächliches aus einer Halbtagstätigkeit erzieltes Einkommen zugerechnet werden, da sie wegen der Betreuung der bei ihr lebenden Tochter zur Ausweitung ihrer Erwerbstätigkeit nicht in der Lage sei. Die Tochter L. werde im Sommer auf das Gymnasium wechseln, obwohl sie nur eine Realschulempfehlung habe. Das Kind benötige deshalb viel Unterstützung.
Auch Zinseinkünfte erziele sie nicht in der vom AG zugerechneten Höhe. Ihre Unterhaltsverpflichtung gegenüber den beim Antragsteller lebenden Kindern dürfe nur in der von ihr freigegebenen Höhe mit ihrem nachehelichen Unterhaltsanspruch verrechnet werden.
Darüber hinaus wendet sich die Antragsgegnerin gegen die vom AG vorgenommene Befristung des Unterhaltsanspruchs. ...