Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässigkeit der Berufung bei rechtsmissbräuchlicher Prozessführung aus dem Verborgenen

 

Leitsatz (amtlich)

Auch wenn die Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Berufungsklägers in der Berufungsschrift keine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Berufung ist, stellt es sich als ein der Zulässigkeit entgegenstehendes rechtsmissbräuchliches Verhalten dar, wenn ein Berufungskläger den Prozess aus dem Verborgenen führen will, um sich einer möglichen Kostenpflicht zu entziehen.

Der Rückschluss auf eine solche rechtsmissbräuchliche Absicht kann dann gerechtfertigt sein, wenn trotz gerichtlicher Anfrage nach der ladungsfähigen Anschrift des Berufungsklägers deren Mitteilung ohne hinreichende Angabe von Gründen verweigert wird.

Die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift in diesem Sinne setzt die Mitteilung der Anschrift voraus, unter der eine Partei tatsächlich und persönlich zu erreichen ist; alleine eine schriftliche Erreichbarkeit der Partei unter einer bestimmten Adresse ist nicht ausreichend.

Die Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift der Partei kann ausnahmsweise entbehrlich sein, wenn beachtliche Gründe vorliegen, die ein Geheimhaltungsinteresse der Partei begründen könnten. Solche Gründe sind von der Partei schlüssig, nachvollziehbar und nachprüfbar darzulegen.

Werden prozessuale Kostenansprüche gegen die ihre ladungsfähige Anschrift verschweigende Partei anderweitig - zum Beispiel dadurch, dass sich deren Prozessbevollmächtigter für diese stark sagt - abgesichert, kann der Vorwurf der rechtsmissbräuchlichen Prozessführung aus dem Verborgenen heraus entfallen.

 

Normenkette

ZPO §§ 511 ff.

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Aktenzeichen 8 O 243/10)

 

Tenor

Die Berufung wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des von den Klägern aufgrund dieses Urteils beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des von ihnen jeweils aufgrund dieses Urteils beizutreibenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger nehmen den Beklagten auf Ersatz eines im Rahmen einer Kapitalanlage erlittenen Schadens in Anspruch.

Das im Jahre 2005 initiierte Kapitalanlagesystem sah wie folgt aus:

Kapitalanleger schlossen mit der in V... in I... ansässigen, im November 2004 gegründeten, Firma A.... P... S.r.I. (im folgenden AP) hochverzinsliche Darlehensverträge. Beworben wurde das Anlagemodell damit, dass die AP die Darlehensbeträge für den Erwerb von Medizinprodukten verwenden und in Deutschland mit großem Gewinn weiterverkaufen würde. Aus den damit erzielten Gewinnen sollten die jeweils versprochenen Darlehenszinsen gezahlt und die Darlehenssummen zurückgezahlt werden. Zur Absicherung der Zahlungsverpflichtungen der AP stellte die in Zug in der S... ansässige, im Herbst 2005 gegründete, Firma Z....AG (im folgenden Z...). Die Z.... ist eine Tochtergesellschaft der in B... in der S.... ansässigen AP AG. Beworben wurde das Anlagemodell weiter damit, dass hinsichtlich der Bürgschaftsverpflichtungen der Z.... Bürgschaftskasse eine Rückdeckungsversicherung bei der Al.... S.p.A. bestehe. Dies war jedoch unstreitig zu keinem Zeitpunkt der Fall.

Nachdem die AP anfangs die Zahlungsverpflichtungen gegenüber den jeweiligen Darlehensgläubigern erfüllte, versandte sie ab Herbst 2007 verschiedene Schreiben, in denen sie mitteilte, dass ihre Geschäftstätigkeit sowie ihre Umsätze so weit zurückgegangen seien, dass die Darlehensverbindlichkeiten nicht mehr bedient werden könnten.

Der Vertrieb des Kapitalanlagemodels erfolgte in Deutschland über die AC... AG sowie vielfach unter Einschaltung von Finanzvermittlern. Die diesbezüglichen Gespräche wurden teilweise in Büroräumen in dem Gebäude G...str. 14 in D... geführt. Büroansässig war dort Herr M.. K.., der Geschäftsführer der AP, welcher im wesentlichen die Gespräche mit den potentiellen Anlegern führte. Desweiteren befanden sich in dem Gebäude die Räume der in der Zeit von 2001 bis 2006 von dem Beklagten und dem ursprünglich mitverklagten Herrn M... N... gemeinsam unter dem Namen "P.., N... & Partner" betriebenen Rechtsanwalts- und Steuerberaterkanzlei. In wechselndem Umfang nahmen auch der Beklagte und Herr N... an den mit den potentiellen Anlegern geführten Gesprächen teil.

Die Einzahlung der Darlehenssummen erfolgte bis Mai 2006 auf das Anderkonto der Kanzlei des Beklagten und Herrn N.... Bis Mai 2006 bot der Beklagte den Anlegern den Abschluss eines Treuhandvertrages an, wonach er es als Treuhänder übernehme, den darlehensweise zur Verfügung gestellten Betrag erst dann an die AP auszuzahlen, wenn ihm die Bürgschaftsurkunde der Z.... vorläge. Die von der Z.... vorbereiteten Bürgschaftsurkunden wurden in der Zeit von Januar 2006 bis Mai 2006 von der Steuerberatungsgesellschaft des ...

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