Leitsatz (amtlich)
1. Treffen Vermieter und Mieter eine Nutzungsvereinbarung "Betrieb im Gesundheitswesen, Rehazentrum" mit dem Zusatz, die Beschaffenheit der Räume sei dergestalt, dass die ambulante Reha-Einrichtung 60 Rehabilitanden ohne Umbaumaßnahmen betreuen könne, so braucht nicht jeder einzelne Raum für den Nutzungszweck vollständig geeignet zu sein.
2. Eine GmbH muss sich das Wissen ihres Geschäftsführers vom Zustand des Mietobjekts bei Vertragsschluss zurechnen lassen, auch wenn dieser einen Tag später abberufen wird.
3. Bei Verstößen gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften ist die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch nur aufgehoben oder beeinträchtigt, wenn die zuständige Behörde die Nutzung des Mietobjekts untersagt oder wenn ein behördliches Einschreiten insoweit ernstlich zu erwarten ist.
4. Bei Geschäftsraummietverhältnissen kann der Vermieter eine Änderung des für die Betriebskosten vereinbarten Verteilungsschlüssels nach den zur Störung der Geschäftsgrundlage geltenden Grundsätzen beanspruchen.
5. Bei Änderung der Geschäftsgrundlage ist der Kläger nicht gehalten, zunächst auf Zustimmung zu einer Vertragsanpassung zu klagen; vielmehr ist die Klage auf die nach dem veränderten Vertragsinhalt geschuldete Leistung zu richten.
Normenkette
BGB §§ 535-536, 53b, 166, 313
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Urteil vom 18.01.2010; Aktenzeichen 17 O 377/04) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 18.1.2010 verkündete Urteil der 17. Zivilkammer des LG Wuppertal - Einzelrichter - teilweise abgeändert und unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten und der weitergehenden Berufung des Klägers wie folgt neu gefasst:
a) Das Vorbehaltsurteil des LG Wuppertal vom 15.1.2007 (17 O 64/06) wird für vorbehaltlos erklärt, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger 124.800 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 104.400 EUR seit dem 1.5.2006 und aus 24.400 EUR seit dem 6.7.2005, sowie an den Zwangsverwalter XXX, weitere 96.300 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 20.400 EUR seit dem 4.8.2005, dem 6.9.2005 und dem 6.10.2005, aus jeweils 5.100 EUR jeweils seit dem 4.11.2005, dem 6.12.2005 und dem 5.1.2006 und aus jeweils 9.900 EUR jeweils seit dem 4.2.2006 und dem 6.3.2006, abzgl. am 28.2.2006 gezahlter 36.000 EUR und abzgl. am 19.10.2007 gezahlter 215.367,31 EUR zu zahlen.
b) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 97.200 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 64.800 EUR seit dem 1.5.2006 sowie aus 3.600 EUR jeweils seit dem 6.7.2005, dem 4.8.2005, dem 6.9.2005, dem 6.10.2005, dem 4.11.2005, dem 6.12.2005, dem 5.1.2006, dem 6.2.2006 und dem 6.3.2006, abzgl. am 22.2.2010 gezahlter 40.951,10 EUR an den Kläger zu zahlen.
c) Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 79.370,28 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 2.304,94 EUR seit dem 25.9.2004, aus 16.035,09 EUR seit dem 1.4.2005, aus 22.903,22 EUR seit dem 20.4.2006 und aus 38.127,03 EUR seit dem 28.9.2007 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 5 % und die Beklagte zu 95 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jeder Partei wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Durch Mietvertrag vom 30.6.2003 vermietete der Kläger an die Beklagte, beginnend zum 1.7.2003, bis zum 1.7.2013 Räumlichkeiten zum "Betrieb im Gesundheitswesen, Rehazentrum"; die Beklagte hatte Teile der Mietfläche bereits zuvor genutzt. Die Beschaffenheit der Räume beschrieben die Parteien ausweislich Ziff. 8 der zu dem Mietvertrag geschlossenen Zusatzvereinbarung dergestalt, dass "die ambulante Reha-Einrichtung 60 Rehabilitanden ohne Umbaumaßnahmen betreuen kann, allenfalls sind durch die EVK's auf deren Kosten zusätzliche Behandlungskabinen aufzustellen". Bei den "EVK" handelt es sich um die Evangelischen Krankenhäuser D. und M., die Gesellschafter der Beklagten sind. Der monatliche Mietzins war gem. Ziff. 2 der Zusatzvereinbarung u.a. an den Jahres-Nettoumsatz der Beklagten geknüpft. Hierzu hatte die Beklagte spätestens 6 Wochen nach Ende eines Quartals eine prüffähige Abrechung des Nettoumsatzes dieses Quartals vorzulegen. Kam die Beklagte dem nicht fristgerecht nach, sollte für das Folgequartal vorläufig ein Mietzins von 24.000 EUR als geschuldet gelten. Für den Fall, dass die Beklagte nicht bis spätestens 6 Monate nach Abschluss eines Geschäftsjahres einen testierten Jahresabschluss vorlegte, sollte für das gesamte abgelaufene Jahr ein Mietzins von 24.000 EUR als geschuldet gelten. Dass diese Voraussetzungen für den hier streitigen Zeitraum vorl...