Leitsatz (amtlich)
1. Ein Steuerberater ist im Rahmen seines Auftrags verpflichtet, seinem Mandanten Möglichkeiten zur steuergünstigen Gestaltung einer Abfindungsvereinbarung aufzuzeigen.
2. Unterlässt der Steuerberater die gebotene Beratung und verursacht dadurch pflichtwidrig eine steuerliche Mehrbelastung seines Mandanten wegen der bezogenen Abfindung, so gehören zum ersatzfähigen Schaden des Mandanten auch die Kosten eines finanzgerichtlichen Verfahrens, das dem Versuch einer Abwendung des Steuerschadens dient, und die Aussetzungszinsen. Zinsvorteile als Folge der verzögerten Zahlung der ausgesetzten Beträge sind bei der Schadensberechnung nicht zu Lasten des Mandanten zu berücksichtigen.
3. Zahlungen des Arbeitgebers, die dieser ergänzend zur vereinbarten Abfindung nachträglich zur teilweisen Kompensation der steuerlichen Nachteile an den abgefundenen, geschädigten Mandanten des Steuerberaters leistet, sind ihrerseits vom Mandanten zu versteuern. Sie sind schadensmindernd mit ihrem Nettobetrag zu berücksichtigen.
4. Gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB n.F. hemmt ebenso wie gem. § 209 Abs. 1 BGB a.F. nur die Erhebung der Klage durch den Berechtigten die Verjährung. Berechtigter einer Schadensersatzforderung gegen den steuerlichen Berater ist hinsichtlich des Steuerschadens bei zusammen veranlagten Eheleuten ein Ehegatte allein jedenfalls dann, wenn er vom Finanzamt in Anspruch genommen wurde und die nachgeforderte Steuer gezahlt hat.
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Urteil vom 09.04.2003; Aktenzeichen 19 O 472/02) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 9.4.2003 verkündete Urteil der 19. Zivilkammer des LG Wuppertal wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
A. Der Kläger nimmt den Beklagten als seinen steuerlichen Berater auf Schadensersatz wegen einer unzutreffenden Beratung bei dem Abschluss eines Abfindungsvergleichs mit seinem damaligen Arbeitgeber in Anspruch. Letzterer verpflichtete sich im Jahre 1993 in einer Vereinbarung mit dem Kläger, diesem eine Abfindung von 540.000 DM zu zahlen, und zwar in zwei Raten von 300.000 DM am 30.9.1993 und 240.000 DM am 30.4.1994. Der Kläger und der Arbeitgeber gingen davon aus, dass die Abfindung zu einem ermäßigten S. zu versteuern sei. Dies verweigerte die Finanzverwaltung später, bestätigt vom Finanzgericht Münster, mit der Begründung, eine Abfindung sei nur dann steuerlich begünstigt, wenn sie innerhalb eines einzigen Veranlagungszeitraums ausgezahlt werde. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (Bl. 133 ff. GA) Bezug genommen.
Das LG hat den Beklagten gem. dem Antrag des Klägers zur Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 69.426,35 Euro verurteilt. Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags.
Der Beklagte meint, eine schadensursächliche Pflichtverletzung seinerseits liege nicht vor. Er behauptet dazu, erst nach Abschluss der Abfindungsvereinbarung mit diesem Vertrag befasst worden zu sein. Im Übrigen sei eine seinerseits unterlassene Beratung auch deshalb nicht ursächlich für den geltend gemachten Schaden geworden, weil der Arbeitgeber zu einer anderen als der getroffenen Vereinbarung weder bereit noch finanziell in der Lage gewesen sei. Der Beklagte meint, die Kosten der Aussetzung und der erfolglosen Klage vor dem Finanzgericht könnten ihm nicht zugerechnet werden. Soweit der Arbeitgeber später Zahlungen zum Ausgleich der unerwarteten steuerlichen Nachteile geleistet habe, seien diese mit ihrem Bruttobetrag, also ohne Steuerabzug auf den Schaden des Klägers anzurechnen. Ein Schaden des Klägers liege auch deshalb nicht vor, weil der Kläger inzwischen einschl. der nachträglichen Zahlungen insgesamt rund 750.000 DM erhalten, selbst zuvor aber nur 650.000 DM verlangt habe. Weiter beruft der Beklagte sich auf Verjährung, da der Kläger erst alleiniger Anspruchsinhaber geworden sei, als seine mit ihm gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagte Ehefrau ihm am 28.9.2003 ihre Ansprüche abtrat und zu diesem Zeitpunkt die Schadensersatzansprüche bereits verjährt gewesen seien, da die Verzichtserklärungen bezüglich der Verjährungseinrede nur bis zum 1.1.2003 wirkten. Ein Verzicht auf die Verjährungseinrede sei i.Ü. bezüglich der Ansprüche der Ehefrau als Mitgläubigerin nicht erklärt worden.
Der Beklagte beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er wiederholt und vertieft ebenfalls seinen erstinstanzlichen Vortrag und behauptet, er habe den Beklagten vor Abschluss der Abfindungsvereinbarung um Rat gebeten. Hät...