Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Aktenzeichen 9 O 123/17) |
Tenor
Unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wird auf die Berufung des Klägers das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf - Einzelrichter - vom 16.01.2018 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 34.401,57 nebst Zinsen iH von 5 Prozentpunkten ab 31.10.2015 sowie EUR 1.474,89 vorgerichtliche Anwaltskosten zu zahlen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt der Kläger zu 65% und die Beklagte zu 35%, die Kosten der Berufung tragen der Kläger zu 17% und die Beklagte zu 83%.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung iH von 120% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von der Beklagten die Rückabwicklung von im sog. Policenmodel zustande gekommenen Versicherungsverträgen, nachdem er diese per Email vom 21.10.2015 (K10) widerrufen hatte. In der Berufungsinstanz geht es namentlich noch um folgende im Jahre 2003 abgeschlossene Versicherungsverträge:
Nr. 1-32.-.355-3 (Anl. 7, fondsgebundene Rentenversicherung), Nr. 1-32.--.357-9 (Anl. K8, fondsgebundener Riester-Rentenversicherung) und Nr. 1-40.-.579-0 (Anl. K9, fondsgebundene Vermögensbildungsversicherung).
Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils GA 130 bis 136 Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage vollumfänglich abgewiesen. Es könne dahinstehen, ob die Verträge im Policenmodell oder Antragsmodell zustande kommen sollten, der Kläger die Verträge widerrufen oder von ihnen zurücktreten konnte, und ob die von der Beklagten erteilten Belehrungen ordnungsgemäß sind. Jedenfalls liege ein widersprüchliches Verhalten des Klägers iS des § 242 BGB vor, welches die genannten Rechte ausschließe.
Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils GA 136 bis 140 Bezug genommen.
Gegen das ihm am 17.01.2018 zugestellte Urteil hat der Kläger mit am 16.02.2018 beim Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese- innerhalb der bis zum 16.04.2018 verlängerten Frist - mit am 16.04.2018 beim Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz im Wesentlichen wie folgt begründet: Das Landgericht habe zu Unrecht angenommen, dass der Widerspruch nach § 242 BGB ausgeschlossen sei. Nach der Rechtsprechung des BVerfG v. 23.05.2016, 1 BvR 2230/15 und 1 BvR 2231/15, und des BGH v. 29.07.2015, IV ZR 448/14 und IV ZR 384/14, sei zu differenzieren zwischen dem ordnungsgemäß belehrten Versicherungsnehmer und dem nicht ordnungsgemäß belehrten. Ein schutzwürdiges Vertrauen könne der Versicherer grundsätzlich dann nicht in Anspruch nehmen, wenn er die die Situation selbst herbeigeführt habe, indem er dem Versicherungsnehmer keine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung erteilte (vgl. auch BGH v. 07.05.2014, IV ZR 76/11; v. 21.12.2016, IV ZR 217/15). Es gebe auch keine zeitliche Begrenzung des Widerspruchsrechts, auch nicht durch entsprechende Anwendung des § 124 Abs. 3 oder § 199 Abs. 4 BGB. Aufgrund des vom Landgericht beschriebenen Verhaltens habe die Beklagte kein besonderes Vertrauen in den Bestand des jeweiligen Vertrages setzen können: Der Ausschluss der Dynamik (Vertrag Nr. 1-32...., Anl. 7) stelle sich als einfache Vertragsänderung dar, die Beantragung der staatlichen Zulagen (Vertrag Nr. 1-32., Anl. K8) und die Zahlung der Beiträge durch den Arbeitgeber (Vertrag Nr. 1-40., K9) als vertragsgemäßes Verhalten. Würde man die Beantragung von staatlichen Zulagen oder die Zahlung der Beiträge durch den Arbeitgeber als ausreichend erachten, hätte dies zum Ergebnis, dass bei solchen Verträgen grundsätzlich gar kein Widerspruchsrecht bestünde.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen,
1. an den Kläger EUR 41.285,99 nebst Zinsen iH von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.10.2015 zu zahlen,
2. an den Kläger weitere EUR 3.291,06 zu zahlen und den Kläger von den Kosten der Kanzlei für Versicherungsanalysen ... L... über EUR 3.570,- nebst Zinsen iH von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Eintritt der Rechtshängigkeit freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Sie weist insbesondere darauf hin, dass nach ständiger Rechtsprechung des BGH die Beurteilung einer Treuwidrigkeit/ Verwirkung dem Tatrichter im Einzelfall obliege. Insoweit habe das Landgericht jeweils die vertragsindividuellen Besonderheiten der noch in Streit stehenden Verträge herausgestellt und rechtsfehlerfrei bewertet. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass die Widerspruchsbelehrung hier - wenn überhaupt - nur geringe Mängel aufwei...