Leitsatz (amtlich)
›Der Unfallversicherer kann sich nicht mit Erfolg auf den in § 2 I (2) AUB bestimmten Ausschluß des Versicherungsschutzes wegen Herbeiführung eines Motorradunfalls durch eine vorsätzliche Straftat nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StGB berufen, wenn der Versicherungsnehmer bei einer innerstädtischen Probefahrt mit einem 54 kw starken Motorrad eines Bekannten verunglückt ist und nur die Fahrerlaubnis für Motorräder mit nicht mehr als 20 kw besaß, der Versicherer aber die Kenntnis des Versicherungsnehmers von der höheren Leistung des gefahrenen Motorrades nicht beweisen kann, weil sich äußerlich nicht erkennen läßt, ob die in beiden Versionen gelieferte Maschine eine Leistungsstärke von 20 kw oder 54 kw hat.‹
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Aktenzeichen 11 O 103/96) |
Gründe
Der Kläger schloß mit Wirkung zum 1. August 1988 mit der Beklagten einen Unfallversicherungsvertrag, dokumentiert im Versicherungsschein vom 4. Juli 1988 (GA 7, 8). Neben der Geltung der AUB 88 waren u.a. Besondere Bedingungen für die Unfallversicherung mit progressiver Invaliditätsstaffel 300 % vereinbart. Für den Invaliditätsfall ist eine Versicherungssumme von 100.000 DM vorgesehen.
Am 22. April 1995 lieh sich der Kläger ein Motorrad des Typs Yamaha XJ 600 mit einer Nennleistung von 54 kw (73 PS) von dem Halter, dem Zeugen G. G., aus. Der Zeuge händigte dem Kläger dabei den Fahrzeugschein aus, in dem die Leistung des Motorrades (amtliches Kennzeichen ...) aufgeführt war. Der Kläger war nicht im Besitz der für dieses Motorrad erforderlichen Fahrerlaubnis der Klasse 1. Seit dem 31. März 1993 besaß er die Fahrerlaubnis der Klasse 1a, die ihn zum Fahren von Krafträdern mit einer Nennleistung von nicht mehr als 20 kw (30 PS) berechtigte.
Gegen 17.55 Uhr erlitt der Kläger mit dem Motorrad auf der H.straße zwischen H.- und L.straße in D. einen schweren Verkehrsunfall. Ohne Fremdeinwirkung geriet er in der dortigen Linkskurve ins Schleudern, verlor die Kontrolle über das Motorrad und prallte gegen die Betonleitwand. Er verletzte sich bei dem Unfall so schwer, daß sein linker Unterarm amputiert werden mußte. Es wurde eine unfallbedingte Invalidität von 65 % festgestellt. Seinen gelernten Beruf als Tankwart kann der Kläger seit dem Unfall nicht mehr ausüben. Zur Zeit ist er in einem Minimarkt als Verkaufsaushilfe beschäftigt.
Gegenüber dem Polizeimeister W. äußerte sich der Zeuge G. noch am Unfalltag dahingehend, daß er den Kläger ausdrücklich auf die Nennleistung des Motorrades von 73 PS hingewiesen habe. Die Frage, ob der Kläger die dafür erforderliche Führerscheinklasse besitze, habe dieser bejaht, weshalb er, der Zeuge, auf die Einsichtnahme in den Führerschein verzichtet habe. Durch rechtskräftigen Strafbefehl vom 10. August 1995 verurteilte das Amtsgericht Düsseldorf den Zeugen G. zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 30 DM wegen des zumindest fahrlässigen Überlassens des Motorrades an den Kläger, der nicht die erforderliche Fahrerlaubnis besaß (906 Js 726/95 StA Düsseldorf). Ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis stellte die Staatsanwaltschaft Düsseldorf am 22. Mai 1995 gemäß § 153 StPO ein.
Am 25. April 1995 unterschrieb der Kläger ein Schadensanzeigeformular der Beklagten, das eine Versicherungsvermittlerin der Beklagten nach Angaben des Klägers im Krankenhaus ausgefüllt hatte. Darin ist die Frage nach weiteren bestehenden Unfallversicherungen mit "nein" beantwortet. Tatsächlich bestand zur Zeit des Unfalls für den Kläger eine weitere Unfallversicherung bei der V. Versicherungs AG, die der Arbeitgeber des Klägers zu seinen Gunsten abgeschlossen hatte.
Am 27. Juni 1995 zahlte die Beklagte an den Kläger einen Entschädigungsbetrag von 16.250 DM, und zwar Krankenhaustagegeld in Höhe von 950 DM, eine Sofortleistung von 10.000 DM sowie Rentenbeträge in Höhe von 5.300 DM.
Mit Schreiben vom 20. September 1995 lehnte sie weitere Leistungen unter Berufung auf den Risikoausschluß nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AUB 88 ab, weil der Kläger das Motorrad ohne die vorgeschriebene Fahrerlaubnis geführt habe, und forderte Leistungen in Höhe von insgesamt 18.500 DM (darin enthalten weitere Rentenbeträge) zurück. In der Folgezeit verzichtete die Beklagte dann auf eine Rückzahlung erbrachter Teilleistungen, lehnte aber die Gewährung weitergehenden Versicherungsschutzes ab.
Der Kläger hat behauptet:
Der Zeuge G. habe ihn entgegen den Angaben gegenüber dem Polizeimeister W. nicht nach seiner Fahrerlaubnis für das schwere Motorrad gefragt. Der Zeuge habe gewußt, daß er, der Kläger, im Besitz des Motorradführerscheins gewesen sei und ihn auch schon mit Motorrädern fahren sehen. Ihm sei nicht erkennbar gewesen, daß das ausgeliehene Motorrad eine höhere Nennleistung als 20 kw gehabt habe. Motorräder mit Nennleistungen von 20 kw und 54 kw unterschieden sich äußerlich nicht. Die höhere Nennleistung werde lediglich durch eine kleine Veränderung der Drosselklappe bewirkt. Im übrigen sei er nach zweijährigem Führerscheinbesitz berechtigt g...