Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Entscheidung vom 07.06.2005) |
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft Düsseldorf wird das Urteil der XXII. kleinen Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 7. Juni 2005 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Das Amtsgericht Ratingen hat gegen den Angeklagten mit Urteil vom 3. April 2003 wegen Beleidigung auf eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten erkannt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Auf seine Berufung hat das Landgericht den Angeklagten mit Urteil vom 7. Juni 2005 freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Revision.
Entscheidungsgründe
II.
Das Rechtsmittel hat mit einer zulässig erhobenen Verfahrensrüge in der Sache (vorläufig) Erfolg.
Das Urteil kann keinen Bestand haben, weil der absolute Revisionsgrund des vorliegt. Danach ist ein Urteil stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen, wenn die (schriftlichen) Entscheidungsgründe nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 StPO ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind. Das ist hier der Fall.
Da die Hauptverhandlung ausweislich des Protokolls an zwei Tagen stattgefunden hat, musste das schriftliche Urteil gemäß § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO spätestens fünf Wochen nach der Verkündung zur Akte gereicht werden. Diese Frist begann am letzten Hauptverhandlungstag, dem 7. Juni 2005, und endete am 12. Juli 2005. Das Urteil ist ausweislich des Vermerks der Geschäftsstelle erst am 21. Juli 2005, also neun Tage nach Fristablauf, zur Akte gelangt.
Diese Fristüberschreitung war nicht zulässig. Nach § 275 Abs. 1 Satz 4 StPO darf die Frist nur überschritten werden, wenn und solange das Gericht durch einen im Einzelfall nicht voraussehbaren unabwendbaren Umstand an ihrer Einhaltung gehindert worden ist. Ein derartiger Umstand ist hier nicht ersichtlich.
Die Vorsitzende der Strafkammer hat am 3. November 2005 anlässlich der Zustellung der Revisionsbegründung der Staatsanwaltschaft vermerkt, dass sie vom 7. Oktober bis 1. November 2005 Urlaub hatte. Daraus kann gefolgert werden, dass sie im hier maßgeblichen Zeitraum im Dienst gewesen ist. Dem Senat ist aus 13 weiteren -vom Sommer 2004 bis Januar 2006 anhängig gewesenen- Verfahren, in denen die Fristüberschreitung erfolgreich gerügt worden ist, bekannt, dass kein unabwendbarer Umstand im Einzelfall, sondern Arbeitsüberlastung die Vorsitzende an der rechtzeitigen Urteilsabsetzung gehindert hat (vgl. die dienstlichen Äußerungen vom 13. Juli 2004 in den Verfahren III-5 Ss 53/04-45/04 I und III-5 Ss 54/04-28/04 I "Verminderung der Arbeitskapazität" und vom 1. März 2005 im Verfahren III-5 Ss 158/04-4/05 I "Überlastung"). Die Arbeitsüberlastung eines Richters rechtfertigt im Allgemeinen eine Fristüberschreitung nicht; dies gilt erst recht, wenn die Überlastung sich über einen längeren Zeitraum erstreckt. Darüber hinaus liegt kein im Einzelfall die Fristüberschreitung rechtfertigender Umstand vor, wie sich auch schon darin zeigt, dass der Senat in der Hauptverhandlung vom 31. Januar 2006 weitere gleichgelagerte Fälle verhandelt hat.
Wegen des aufgezeigten Mangels ist das angefochtene Urteil nach §§ 353, 354 Abs. 2 Satz 1 StPO mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen.
Ob die weiteren von der Staatsanwaltschaft angeführten Verfahrensrügen, mit denen die Ablehnung von Beweisanträgen gerügt wird, zulässig erhoben und begründet sind, muss der Senat nicht entscheiden.
In der Sache weist der Senat darauf hin, dass selbst dann, wenn die in dem angefochtenen Urteil wiedergegebene Bekundung der Zeugin Larissa Schulz glaubhaft sein sollte und der neue Tatrichter eine inhaltsgleiche Aussage der Zeugin seinen Feststellungen zugrundelegen sollte, nicht zwingend die Voraussetzungen des § 185 StGB zu bejahen sind.
Die genannte Vorschrift ist kein "Auffangtatbestand" für sexualbezogene Verhaltensweisen, die die Voraussetzungen der sexuellen Nötigung oder der Vergewaltigung (§ 177 StGB) nicht erfüllen. Eine sexualbezogene Handlung ist nur dann eine Beleidigung im Sinne des § 185 StGB, wenn besondere Umstände einen selbständigen beleidigenden Charakter erkennen lassen (BGHSt 36, 145, 149; NStZ 1993, 182, NStZ 1995, 129; OLG Düsseldorf - 2. Strafsenat - NJW 2001, 3562; OLG Karlsruhe NJW 2003, 1263; Tröndle/Fischer, StGB, 53. Auflage 2006, § 185 Rdnr. 11; Lackner/ Kühl, StGB, 25. Auflage 2004, § 185 Rdnr. 6).
Es ist zweifelhaft, ob das von der Zeugin bekundete Ansinnen eines sexuellen Kontaktes und das dieses Ansinnen in die Tat umsetzende Verhalten des Angeklagten (Zungenkuss, Hochschieben des T-Shirts und des BH der Zeugin, Berühren ihrer entblößten Brust mit Händen und Mund) allein ein Beleid...