Entscheidungsstichwort (Thema)
Zusammentreffen von Obliegenheitsverletzungen vor und nach Eintritt des Versicherungsfalles
Leitsatz (amtlich)
1. Die summenmäßig auf 10.000 DM begrenzte Leistungsfreiheit des Kfz-Haftpflichtversicherers im Verhältnis zu dem Fahrer, der im Zustand der Trunkenheit einen Unfall verursacht hat und bei dem der Versicherer Rückgriff nehmen will, setzt keine Kündigung des Versicherungsvertrages nach § 6 Abs. 1 S. 3 VVG voraus.
2. Beim Zusammentreffen von Obliegenheitsverletzungen vor und nach Eintritt des Versicherungsfalls - durch eine unfallursächliche Trunkenheitsfahrt und durch Unfallflucht - sind die Leistungsfreiheitsbeträge gem. § 2b (1e), (2) und § 7 Abs. 1 (2), Abs. 5 (2) AKB zusammenzurechnen.
3. Zur Frage, ob Unfallflucht ein besonders schwerwiegender Verstoß gegen die Aufklärungsobliegenheit i.S.v. § 6 Abs. 3 KfzPflVV ist mit der Folge einer über 5.000 DM hinausgehenden Leistungsfreiheit bis zu 10.000 DM (im konkreten Fall verneint).
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Urteil vom 12.02.2003; Aktenzeichen 11 O 55/02) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 12.2.2003 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des LG Düsseldorf - Einzelrichter - teilweise abgeändert und unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels sowie der Anschlussberufung des Klägers wie folgt neu gefasst:
Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an die Klägerin 5.446,01 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.11.2001 zu zahlen. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 60 % und die Beklagte zu 40 %, die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zu 80 % und der Beklagten zu 20 % zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Bei der Beklagten war zumindest bis zum 1.1.2001 ein Opel-Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen ... haftpflichtversichert. Versicherungsnehmerin und Halterin war die Mutter des Klägers.
Mit dem Kfz verursachte der Kläger am 21.10.2000 gegen 15 Uhr in M./R. einen Auffahrunfall. Anschließend entfernte er sich gegen den Willen der Geschädigten vom Unfallort. Eine um 16.40 Uhr entnommene Blutprobe ergab bei ihm eine BAK von 2,86 o/oo. Deshalb wurde er - nach Einstellung des Verfahrens wegen Verkehrsunfallflucht gem. § 154 Abs. 2 StPO - vom AG M. (rechtskräftig) wegen fahrlässiger Körperverletzung und Straßenverkehrsgefährdung zu einer Geldstrafe verurteilt. Die Beklagte hat für die Entschädigung der durch den Unfall entstandenen materiellen und immateriellen Schäden der weiteren Unfallbeteiligten 9.106,41 Euro (= 17.810,58 DM) aufgewandt und den Kläger in dieser Höhe in Regress genommen. Dabei hat sie sich darauf berufen, sie sei leistungsfrei, weil der Kläger gegen die Trunkenheitsklausel verstoßen und Unfallflucht in einem besonders schwerwiegenden Fall begangen habe. Die dafür in § 2b (2) und § 7 Abs. 5 (2) AKB der Fassung vom 19.4.1996 vorgesehenen Leistungsfreiheitsbeträge i.H.v. jeweils 10.000 DM könne sie kumulativ in Anspruch nehmen. Auf diese Forderung hat der Kläger unstreitig schon außergerichtlich 2.223,37 Euro gezahlt.
Mit seiner Klage hat er die Feststellung begehrt, dass der Regressanspruch der Beklagten aufgrund des Unfallereignisses auf 2.556,46 Euro (= 5.000 DM) begrenzt ist. Nachdem die Beklagte Widerklage auf Zahlung von 9.106,41 Euro erhoben hat, haben die Parteien den Rechtsstreit in Ansehung der Klage für erledigt erklärt. Sodann hat die Beklagte die Widerklage i.H.v. 2.223,37 Euro zurückgenommen.
Das LG hat den Kläger auf die Widerklage zur Zahlung von 2.889,55 Euro nebst Zinsen verurteilt, weil die Beklagte ihm als mitversicherter Person ggü. nur nach § 2b (1e), 3 (1) AKB wegen der Trunkenheitsfahrt leistungsfrei sei. Ein weiterer Regressanspruch wegen Verletzung der Aufklärungsobliegenheit nach § 7 Abs. 1 (2) AKB bestehe nicht, weil der Versicherer bei Verletzung mehrerer Obliegenheiten nur einmal Leistungsfreiheit in Anspruch nehmen könne, wenn die konkurrierenden Obliegenheiten die gleiche Stoßrichtung hätten und dasselbe Interesse des Versicherers schützten. Das sei bei einer Trunkenheitsfahrt und einer nachfolgenden Unfallflucht der Fall.
Dagegen wenden sich die Beklagte mit der Berufung und der Kläger mit der Anschlussberufung. Die Beklagte hält an ihrer Auffassung fest, dass sie bei einem Verstoß gegen eine vor dem Versicherungsfall zu beachtende Obliegenheit und einem späteren Verstoß gegen eine nach dem Versicherungsfall zu erfüllende Obliegenheit zur Kumulierung der Leistungsfreiheitsbeträge von je 10.000 DM berechtigt sei. Der Kläger moniert, das LG habe die Beklagte zu Unrecht wegen seiner Trunkenheitsfahrt als leistungsfrei angesehen, da er Repräsentant der Versicherungsnehmerin sei und die Beklagte ihre Kündigungsobliegenheit missachtet habe.
II. Die Berufung hat teilweise Erfolg, die Anschlussberufung ist nicht begründet.
1. Anschlussberufung
Mit Recht hat das LG den Kläger zur Zahlung von 2.889,55 Euro...