Leitsatz (amtlich)
1. Lehrt ein Patent eine Gesamtvorrichtung, deren Einzelkomponenten zum Zwecke einer Interaktion bestimmte objektive Eigenschaften aufzuweisen haben, müssen die Einzelkomponenten der im Ausland hergestellten Gesamtvorrichtung die geforderte objektive Beschaffenheit (auch noch) im Zeitpunkt der in Rede stehenden inländischen Inbenutzungnahme des angegriffenen Gegenstandes aufweisen.
2. Wird ein Patentanspruch im Nichtigkeitsverfahren teilweise aufrechterhalten, können solche Passagen der nicht veränderten Patentbeschreibung, welche nicht mehr unter den Schutzgegenstand der eingeschränkten Fassung des Patentanspruchs fallen, gem. Art. 69 EPÜ, § 14 PatG zur Auslegung des beschränkten Patentanspruchs herangezogen werden.
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Aktenzeichen 4a O 27/17) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil der 4a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 18.07.2017 abgeändert:
Die Anträge der Verfügungsklägerin - in der Fassung gemäß Schriftsatz vom 11.07.2019 - werden zurückgewiesen.
II. Die Verfügungsklägerin trägt die Verfahrenskosten beider Instanzen.
Gründe
I. Von der Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 542 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung der Verfügungsbeklagten ist begründet.
Denn die angegriffenen Ausführungsformen machen keinen wortsinngemäßen Gebrauch vom Patentanspruchs 1 des Verfügungspatents in der Fassung, mit der das Bundespatentgericht selbigen - entsprechend dem Hilfsantrag 3 im Nichtigkeitsverfahren (4 Ni 50/17 (EP)) - mit dem aus Anlage KAP 29 ersichtlichen Urteil ("BPatGU") beschränkt aufrecht erhalten hat.
Demzufolge steht der Verfügungsklägerin weder der zuletzt noch geltend gemachte Sequestrationsanspruch zwecks Sicherung eines Vernichtungsanspruchs (Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 140a Abs. 1 PatG) zu, noch besteht Raum für die begehrte Feststellung, dass sich die ursprünglich ferner geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung und Auskunft (Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1, § 140b Abs. 1, Abs. 7 PatG) aufgrund des nach Rechtshängigkeit infolge Zeitablaufs ab dem 19.09.2017 eingetretenen Erlöschens des Verfügungspatents in der Hauptsache erledigt hätten. Die betreffenden Anträge waren vielmehr - gemessen an der allein maßgeblichen, vom Bundespatentgericht beschränkt aufrecht erhaltenen Fassung des Anspruchs 1 - unabhängig vom Erlöschen des Verfügungspatents infolge Zeitablaufs von Anfang an unbegründet.
1. In der durch das BPatGU beschränkt aufrecht erhaltenen Fassung hat der Anspruch 1 in seiner englischen Verfahrenssprache - ohne Bezugszeichen - nunmehr folgenden Wortlaut (Änderungen im Vergleich zur ursprünglichen Fassung gemäß der Entscheidung der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts vom 23.02.2017 (Az.: T-1477/15; Anlage KAP1b) sind diesseits unterstrichen):
"A urinary catheter assembly for intermittent self-catheterization comprising at least one urinary catheter, the catheter having a catheter tube coated on this external surface on a substantial part of its length from its distal end with a hydrophilic surface layer in the form of a hydrophilic coating intended to produce a low-friction surface character of the catheter by treatment with a liquid swelling medium prior to use of the catheter and a catheter package made of a gas impermeable material formed by a multiple layer thermoplastic film material comprising aluminium, the package having a cavity for a accommodation of the catheter, wherein the cavity accommodates 2 to 30 ml of said liquid swelling medium for provision of a ready-to-use catheter assembly, and wherein the liquid swelling medium is accommodated in a storage body of spongy or gel-like material in the cavity".
Die Anpassung des Antrags auf eine zwischenzeitlich im Rechtsbestandsverfahren erfolgte beschränkte Aufrechterhaltung des Anspruchs stellt keine Antragsänderung im Sinne von § 263 ZPO, sondern - sofern man darin überhaupt eine Antragsänderung und nicht nur eine Konkretisierung des Antrags erblicken will - allenfalls eine Beschränkung des Verfügungsantrags nach § 264 Nr. 2 ZPO dar (OLG München BeckRS 2014, 7881; Senat, Urteil vom 18.07.2019 - 15 U 46/18; Senat, Urteil vom 19.09.2019 - 15 U 36/15 m.w.N.), die auch im Berufungsverfahren ohne weiteres zulässig ist, weil § 533 ZPO keine Anwendung findet (vgl. BGH NJW 2004, 2152; BGH WM 2010, 1142; Senat, Urteil vom 19.09.2019 - 15 U 36/15 m.w.N.). Dies folgt daraus, dass der Klagegrund bei einem Hinzufügen von Anspruchsmerkmalen identisch bleibt, weil die Verfügungsklägerin ihr Begehren weiterhin auf denselben Lebenssachverhalt und dasselbe Schutzrecht stützt. Sie verfolgt unverändert das Rechtsschutzziel, das Anbieten, Inverkehrbringen etc. der angegriffenen Ausführungsformen in der Bundesrepublik Deutschland wegen Verletzung desselben Patents zu untersagen.
2. Das Verfügungspatent betrifft ein Blasenkatheter-Set. Im Rahmen seiner einleitenden Bemerkungen (Absätze [0002] und [0003]; Absätze ohne Zitate beziehen sich nachfolgend...