Leitsatz (amtlich)
1. Ein "rechtliches Interesse" an der Akteneinsicht i.S.d. § 299 Abs. 2 ZPO setzt ein auf Rechtsnormen beruhendes oder durch solche geregeltes gegenwärtig bestehendes Verhältnis einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache voraus. Ein rechtliches Individualinteresse liegt vor, wo irgendwelche persönlichen Rechte des Antragstellers durch den Akteninhalt auch nur mittelbar berührt werden, sofern ein rechtlicher Bezug zu dem Streitstoff der einzusehenden Akten besteht. Die Ermessensausübung des Gerichtsvorstands nach § 299 Abs. 2 ZPO beginnt erst nach der Feststellung eines "rechtlichen Interesses".
2. Diese Ermessensentscheidung ist aber ausschließlich Sache der Verwaltungsbehörde. Das Gericht darf im Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG sein eigenes Ermessen nicht an die Stelle des Ermessens der Behörde setzen.
3. Ein "Zweitbescheid", der ohne erneute Sachprüfung einen ersten Bescheid lediglich bestätigt, enthält keine selbständige Rechtsverletzung und ist deshalb in der Regel nicht im Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG gerichtlich anfechtbar. Nur bei einer erneuten Ablehnung nach Vornahme einer neuen Sachprüfung, etwa indem neue Ermittlungsergebnisse oder bisher nicht erörterte Gesichtspunkte rechtlicher oder tatsächlicher Art berücksichtigt werden, ist der "Zweitbescheid" einer selbständigen rechtlichen Überprüfung zugänglich, auch wenn er eine im Ergebnis mit dem Erstbescheid übereinstimmende Regelung trifft.
Normenkette
EGGVG §§ 23-24, 28, 30; ZPO § 299
Verfahrensgang
AG Hünfeld (Aktenzeichen 1451 E-1/6-1880/06) |
Gründe
I. Mit Schriftsatz vom 5.7.2006 (Bl. 9 ff. d.A.) beantragte der Antragsteller nach § 299 Abs. 2 ZPO Akteneinsicht in die gesamte Verfahrensakte des OLG Frankfurt, Az.: 5 U 29/06, einschließlich der erstinstanzlichen Akte LG Frankfurt/M., Az.: 3/9 O 143/04, hilfsweise eine teilweise Akteneinsicht in die eben benannten Akten unter Ausschluss vertraulicher Dokumente. Die Klägerin jenes Gerichtsverfahrens ist ein in ... ansässiges Kreditinstitut. Ihr Geschäft besteht in der Gewährung von Hypotheken- und kommunalen Darlehen an inländische Kunden und in der Ausgabe von Hypotheken, Pfandbriefen, kommunalen Schuldverschreibungen und der Aufnahme langfristiger Darlehen von anderen Kreditinstituten, öffentlichen und privaten Stellen sowie insbesondere von Kapitalsammelstellen. Sie betreibt das Hypothekengeschäft im Sinne des Hypothekenbankgesetzes und gem. § 2 ihrer seit dem 1.11.2000 geltenden Fassung ihrer Satzung. In jenem Gerichtsverfahren macht die dortige Klägerin gegen ihre früheren Vorstandsmitglieder mit der Begründung, sie hätten als Vorstände gegen § 5 HypothekenbankG und § 2 ihrer Satzung, sowie gegen ihre Berichtspflicht ggü. dem Aufsichtsrat, gegen ihre Pflicht aus § 91 Abs. 2 AktG, ein funktionierendes Frühwarnsystem zu installieren und gegen ihre Pflicht zur sorgfältigen Vermögensbetreuung verstoßen, Schadensersatzansprüche geltend. Das LG Frankfurt/M. hat die Klage durch Urteil vom 25.1.2006 (AG 2006, 510) abgewiesen. Die Klägerin hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Dieses wird derzeit zum oben genannten Az.: 5 U 29/06 vor dem hiesigen OLG geführt. Der Antragsteller hat am 28.7.2005 im Wert von 2.622,91 EUR Genussscheine erworben, die einem Gemeinschaftskonto des Antragstellers gutgebracht worden sind. Da er auch wegen der Vorfälle, die als Pflichtverletzungen den Beklagten des bezeichneten Prozessverfahrens vorgeworfen werden, mit einem Totalverlust seiner Anlage rechnet, beabsichtigt er, insoweit Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Mit Schriftsatz vom 23.1.2007 hat er vortragen lassen, gegen die X insoweit vor dem LG Frankfurt/M., Az.: 2-21 O 513/06, Klage erhoben zu haben.
Auf Grund des genannten Antrags gewährte der Präsident des OLG ohne Anhörung der Beteiligten des Prozessverfahrens Einsicht in das vollständige Urteil des LG Frankfurt/M. vom 25.1.2006 - 3/9 O 143/04, die im Urteil erwähnten Schreiben des Bundesaufsichtsamts für Kreditwesen vom 1.10.1990 und 7.12.2000, sowie in die Sonderprüfberichte der PWC vom 25.3.2002, 10.2.2003 und 24.6.2004.
Mit Schriftsatz vom 12.9.2006 (Bl. 25 ff. d.A.) stellte der Antragsteller unter Bezugnahme auf das bereits mit Schriftsatz vom 5.7.2006 umfassend gestellte Akteneinsichtsgesuch in die gesamte Verfahrensakte Az.: 5 U 29/06 einschließlich der erstinstanzlichen Akte Az.: 3/9 O 143/04 nochmals einen Antrag auf Akteneinsicht. Hilfsweise beantragte er, wie schon mit Schriftsatz vom 5.7.2006 geschehen, eine teilweise Akteneinsicht in die benannten Akten unter Ausschluss vertraulicher Dokumente. Ausweislich der Antragsbegründung sollte das Akteneinsichtsgesuch insbesondere die Berufungsbegründung der Klägerin im Berufungsverfahren Az.: 5 U 29/06 und die dazugehörigen Anlagen betreffen, soweit sie nicht der Geheimhaltung unterliegen.
Nach Anhörung der Klägerin und der Beklagten des Verfahrens Az.: 5 U 29/06, die der Einsicht nicht zustimmten, lehnte der Präsident des OLG mit Bescheid vom 13.10.2006 (Bl. 8 d...