Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum rechtlichen Interesse für die Akteneinsicht nach § 299 II ZPO
Leitsatz (amtlich)
1. Ein rechtliches Interesse eines Dritten im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO an der Einsichtnahme in die Akten eines Zivilprozesses setzt nach ständiger Rechtsprechung des Senats voraus, dass dem Dritten zustehende Rechte durch den Akteninhalt berührt werden. Dazu gehören auch rechtlich begründete wirtschaftliche Interessen. Das Verfahren selbst oder wenigstens der ihm zugrunde liegende Sachverhalt muss für die rechtlichen Belange des Gesuchstellers von konkreter Bedeutung sein.
2. Dazu muss als Mindestanforderung ein auf Rechtsnormen beruhendes oder durch solche geregeltes, gegenwärtig bestehendes Verhältnis einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache vorliegen.
Normenkette
ZPO § 299
Tenor
Der Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 21.09.2015 wird aufgehoben. Der Antragsgegner wird angewiesen, den Antrag der Antragstellerin vom 05.08.2015 auf Bewilligung von Akteneinsicht in die Akten des Zivilprozesses mit dem Aktenzeichen ... U./15 (LG Frankfurt am Main ... O./13) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Mit Schriftsatz vom 05.08.2015 beantragte die Antragstellerin, eine Limited Liability Partnership nach dem Recht des US-Bundesstaates ..., bei dem Präsidenten des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main, ihr Einsichtnahme in die Akten des Zivilprozesses mit dem erstinstanzlichen Aktenzeichen des LG Frankfurt am Main ... O./13 (OLG Frankfurt am Main ... U./15; im Folgenden auch: Ausgangsverfahren bzw. -prozess) zu gewähren, an welchem sie selbst nicht beteiligt ist. Der Präsident des Oberlandesgerichts wies den Antrag mit Bescheid vom 21.09.2015 zurück. Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 23 ff. EGGVG.
Der Kläger des Ausgangsverfahrens - der hiesige weitere Beteiligte - ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der A SE (vormals B SE). Beklagte des Ausgangsverfahrens ist eine Partnerschaftsgesellschaft von Rechtsanwälten, welche die damalige in eine finanzielle Krise geratene B SE aufgrund von Mandatsvereinbarungen im Zusammenhang mit Sanierungsbemühungen ab Februar 2011 beriet. Die Sanierungsbemühungen scheiterten im März 2013. In dem Ausgangsverfahren macht der hiesige weitere Beteiligte als Insolvenzverwalter u.a. Ansprüche auf Rückzahlung von durch die B SE an die dortige Beklagte für die vorgenannte Beratungstätigkeit geleisteten Honorarzahlungen wegen Insolvenzanfechtung geltend.
Der weitere Beteiligte nimmt in einem weiteren Zivilprozess vor dem LG Stadt1 (im Folgenden: Sekundärverfahren bzw. -prozess) die hiesige Antragstellerin ebenfalls auf Rückgewähr von Anwaltshonoraren wegen Insolvenzanfechtung in Anspruch. Die Antragstellerin hatte im Zusammenhang mit den Sanierungsbemühungen eine Gruppe von Wandlungsschuldverschreibungsgläubigern der damaligen B SE beraten. Letztere hatte sich in einem "Fee Agreement Letter" gegenüber der Antragstellerin verpflichtet, die dafür anfallenden Beratungskosten zu tragen. Der weitere Beteiligte behauptet in dem Sekundärprozess, dass die B SE darauf Zahlungen geleistet habe, deren Rückgewähr er von der Antragstellerin verlangt.
Mit Schriftsatz vom 05.08.2015 beantragte die Antragstellerin bei dem Präsidenten des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main Einsichtnahme in die Akten des Ausgangsverfahrens. Sie führte aus, dass nach § 299 Abs. 2 ZPO einem Dritten Akteneinsicht zu gewähren sei, wenn die Parteien einwilligten oder der Dritte ein rechtliches Interesse glaubhaft mache. Ein rechtliches Interesse läge bereits dann vor, wenn Rechte eines Antragstellers durch den Akteninhalt nur mittelbar berührt werden könnten. Dies sei dann der Fall, wenn dem Prozess, in dessen Akten Einsicht genommen werden solle, ein ähnlicher Rechtsfall zugrunde liege wie einer eigenen Angelegenheit des Dritten. Der Lebenssachverhalt, dessentwegen der weitere Beteiligte die Zahlungen an die Antragstellerin und an die Beklagte des Ausgangsprozesses andererseits angefochten habe, insbesondere mit der Begründung der angeblichen Aussichtslosigkeit des Sanierungsversuchs, sei - soweit ersichtlich - weitgehend identisch. Allein der weitere Beteiligte als Kläger habe einen umfassenden Überblick über das Verteidigungsvorbringen der jeweiligen Beklagten der Anfechtungsprozesse, insbesondere zum Umfang und Inhalt der vorinsolvenzlichen Sanierungsverhandlungen.
Von den angehörten Parteien des Ausgangsverfahrens widersprach der dortige Kläger - der hiesige weitere Beteiligte - dem Gesuch. Er führte unter Verweis auf Rechtsprechung des Senates aus, dass der Antrag bereits unzulässig sei, weil die Antragstellerin ein gleichlautendes Gesuch an den Präsidenten des LG Frankfurt am Main gerichtet habe, welches noch nicht beschieden worden sei.
Zudem sei der Antrag unbegründet. Es f...