Entscheidungsstichwort (Thema)
Schätzung der Unternehmenswerte anhand der Börsenwerte zur Feststellung der Höhe einer baren Zuzahlung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragsgegnerin führt nicht zur Unzulässigkeit des Spruchverfahrens wegen fehlendem Rechtsschutzbedürfnis.
2. Zur Frage des Umfanges des Schätzungsermessens bei Insolvenz der Antragsgegnerin.
3. Zur Ermittlung der angemessenen baren Zuzahlung anhand von Börsenkursen.
Normenkette
UmwG § 15; SpruchG § 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 08.03.2013; Aktenzeichen 3-8 O 130/02) |
Tenor
Die Beschwerde des gemeinsamen Vertreters gegen den Beschluss des LG Frankfurt am Main vom 8.3.2013 wird verworfen.
Auf die Beschwerden der Antragsteller zu 9), 13), 14) und 18) wird der Beschluss des LG Frankfurt am Main vom 8.3.2013 abgeändert und der Klarstellung halber unter Einbezug der Nebenentscheidungen des Beschwerdeverfahrens insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Ausgleich durch bare Zuzahlung für die Aktien der ehemaligen X (alt) AG wird auf 0,25 EUR je Aktie festgesetzt.
Die gerichtlichen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens sowie des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Vergütung des Vertreters der außenstehenden Aktionäre hat der Antragsgegner zu tragen. Ferner hat der Antragsgegner die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller in erster und zweiter Instanz jeweils zur Hälfte zu tragen. Im Übrigen findet eine Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht statt.
Der Geschäftswert des Verfahrens in erster Instanz wird auf 10.657.325 EUR, der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren auf 7.500.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragsteller machen Ansprüche auf einen Ausgleich durch bare Zuzahlung gemäß § 15 UmwG (in der Fassung vom 25.3.1998) wegen der Unangemessenheit des Umtauschverhältnisses im Zusammenhang mit einer Verschmelzung auf die ... AG (im folgenden X (neu)) geltend. Der Antragsgegner ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der X (neu).
Die Antragsteller waren Aktionäre der X AG mit Sitz in Stadt1 (im folgenden X (alt)). Das Grundkapital der X (alt) in Höhe von damals 98.072.840 EUR war in 98.072.840 Aktien eingeteilt. Mit Verschmelzungsvertrag vom 18.07.2002 wurden die X (alt) und die Y AG (im folgenden Y) auf die zuvor zu diesem Zweck gegründete ... AG (neu) mit Sitz in Stadt2 verschmolzen. Die X (neu) war am 17.04.2002 mit einem Grundkapital von 50.000,- EUR gegründet und am 13.05.2002 in das Handelsregister eingetragen worden. Sie hat bis zur Verschmelzung keine geschäftlichen Aktivitäten entfaltet. Im Zuge der Verschmelzung wurde das Grundkapital der X (neu) auf 36.191.000 EUR erhöht. Das Grundkapital der Y betrug vor der Verschmelzung 14.880.000 EUR, das in Aktien zu jeweils 1 EUR unterteilt war.
Bei der Y handelte es sich um eine reine Immobilienholding, deren operatives Geschäft über mehrere Tochtergesellschaften betrieben wurde. Schwerpunkt der Tätigkeit waren gewerbliche Immobilien. Die X (alt) war seit der Veräußerung von Industriebeteiligungen, die im Jahr 2000 abgeschlossen worden war, ebenfalls eine reine Immobilienholding, die neben Gewerbeimmobilien durch eine ihrer Töchter, der A. gesellschaft mbH (im folgenden A), auch einen Schwerpunkt im Bereich Projektentwicklung von Wohnimmobilien unterhielt. Aufgrund des Verkaufs der Industriebeteiligungen verfügte die X (alt) über eine hohe finanzielle Liquidität, wobei zum 31.12.2001 flüssige Vermögensmittel in Höhe von 320,4 Mio. Euro vorhanden waren.
Mit Vertrag vom 07.05.2001 verkaufte die bisherige Mehrheitsgesellschafterin der X (alt), die AG Bank (im folgenden Bank1), 49 % ihrer Anteile zu einem Kaufpreis in Höhe von 197.212.962,50 EUR (12,50 EUR pro Aktie) an die Y, die parallel dazu 1 % der Aktien an der Börse erworben hatte. Nach Erwerb der Aktienanteile unterbreitete die Y den außenstehenden Aktionären der X (alt) ein öffentliches Übernahmeangebot zum Preis von ebenfalls 12,50 EUR pro Aktie (Bl. 1131 d.A.). In diesem Zusammenhang schloss die Y mit der BANK1 sowie einer weiteren Anteilsinhaberin, der B AG (im folgenden B) eine Vereinbarung, dass diese jeweils 12 % der X (alt) Aktien bis zur Verschmelzung halten würden, um nicht 100 % der Aktien finanzieren zu müssen. Zur Absicherung für den Fall, dass die Verschmelzung nicht stattfinden würde, gewährte die Y der BANK1 und der B jeweils die Option, die X (alt) Aktien zum Preis von 12,50 EUR zuzüglich eines Aufschlags an die Y zu verkaufen (Bl. 265 d.A.).
Zur Finanzierung des Aktienkaufs hatte die Y ein Darlehen bei einer ... Bank in Höhe von 261 Mio. Euro aufgenommen, von dem ein Betrag in Höhe von 235 Mio. Euro bereits im Jahr 2002 zur Rückzahlung fällig wurde. Als nunmehrige Tochtergesellschaft der Y war die X (alt) in das konzernweite Cash Management der Y eingebunden. In diesem Rahmen wurde die Liquidität der X (alt) im Y-Konzern zu Zwischenfinanzierungszwecken genutzt, die anderenfalls über eine Fremdfinanzierung hätten abgedeckt werden müssen, wobei das Limit 50...