Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerrechtliches dauerhaftes Verbringen des Kindes ins Ausland durch einen Elternteil
Normenkette
HKÜ Art. 3
Verfahrensgang
AG Frankfurt am Main (Beschluss vom 20.12.2022; Aktenzeichen ...) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
I. Die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Frankfurt am Main vom 20.12.2022 wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der weiteren Beteiligten zu 1. auferlegt.
III. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Die Beteiligten streiten um die Rückführung des Kindes X, geboren am XX.XX.2016, nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen (HKÜ) nach Polen.
Gründe
I. Wegen des Sachverhalts wird auf die zutreffende Darstellung im amtsgerichtlichen Beschluss Bezug genommen.
Ergänzend ist hierzu noch aufzunehmen, dass nach der vor dem Amtsgericht am 17. November 2022 erfolgten persönlichen Anhörung der Eltern und des Kindes der Vater am Folgetag (Freitag, 18. November 2022) das Kind zum bis Sonntag, dem 20. November 2022, vereinbarten Umgang (geplant in einem Hotel im Raum Stadt1) abholte, es dann aber Abrede widrig nicht zur Mutter zurückbrachte.
Erst am Samstag, dem 3. Dezember 2022, brachte der Vater das Mädchen zur Mutter zurück. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass der Vater tatsächlich mit dem Kind nach Stadt2 gefahren war.
Nachdem das Kind in den Haushalt der Mutter zurückgekehrt und dies dem Amtsgericht mitgeteilt worden war, gab das Amtsgericht mit Beschluss vom 20.12.2022 dem Antrag des Vaters auf Anordnung der Rückgabe des Kindes nach Art. 12 HKÜ statt.
Gegen diesen, ihrer Verfahrensbevollmächtigten am 5. Januar 2023 zugestellten Beschluss richtet sich die am 19. Januar 2023 eingelegte und begründete Beschwerde der Mutter.
Die Mutter beantragt,
den Beschluss des Familiengerichts Frankfurt vom 20. Dezember 2022
aufzuheben und den Antrag des Kindesvaters zurückzuweisen.
Hilfsweise beantragt sie,
die der Kindesmutter gesetzte Frist zum Zurückbringen des Kindes X bis
zum Ende des Schuljahres in Hessen bzw. mindestens um weitere 12
Wochen zu verlängern.
Wie schon in der 1. Instanz beruft sich die Mutter auf die Entscheidung des Landgerichts Warschau vom 10. Juni 2021, wonach der Aufenthalt des Kindes bei ihr festgestellt wurde und vertritt die Auffassung, dass sie auch zum Wegzug mit dem Kind nach Deutschland berechtigt gewesen sei. Weiter behauptet sie, dass der Vater sein Sorgerecht faktisch nicht ausgeübt habe. Er habe lediglich sporadischen Umgang mit dem Kind gehabt.
Die Kindesmutter ist der Ansicht, dass die Rückgabe mit der schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden sei oder dieses auf andere Weise in eine unzumutbare Lage bringe im Sinne des Art. 13 Abs. 1 HKÜ.
Dazu behauptet sie, dass das Kind nach dem eigenmächtigen Zurückbehalten seitens des Vaters in der Zeit November/Dezember 2022 und dem völligen Kontaktabbruch zu Mutter während dieser Zeit stark traumatisiert sei und jeglichen Kontakt zum Vater ablehne. Für die Mutter sei eine Rückkehr nach Polen unzumutbar, da sie dort, anders als in Deutschland, weder über eine Wohnmöglichkeit noch über eine Arbeitsstelle verfüge. Eine Trennung von der Mutter als ihrer Hauptbezugsperson stehe nicht im Einklang mit dem Wohl des Kindes, welches auch im Rahmen des HKÜ höchstrangiges Schutzziel sei.
Außerdem bestehe bei einer Rückkehr nach Polen auch auf dortigem Staatsgebiet aufgrund des im Nachbarland Ukraine derzeit herrschenden Kriegszustandes eine konkrete Gefahr für Leib und Leben; der ursprüngliche Wohnort der Mutter und des Kindes in Polen liege in räumlicher Nähe der Grenze zur Ukraine.
Die Mutter behauptet (zuletzt mit Schriftsatz vom 27.02.2023), dass das Kind mittlerweile den Willen äußere, nicht nach Polen zurückzukehren. Dieser Wille sei inzwischen dauerhaft und verfestigt. Dieser Wille des Kindes sei als in der zweiten Instanz neu aufgetretene Tatsache entsprechend durch den Senat zu würdigen.
Den hilfsweise gestellten Antrag auf Verlängerung der Rückgabefrist, möglichst bis zum Ende des Schuljahres, begründet die Mutter damit, dass ein Schulwechsel in Polen während des laufenden Schuljahres nicht möglich sei und somit das im Sommer 2022 in Deutschland in die 1. Klasse eingeschulte Kind dort erst nach den Sommerferien die Schule besuchen könne.
Überdies verzögere der Vater das weiterhin in Polen laufende Verfahren, indem er dort wiederholt unbegründete Befangenheitsanträge stelle.
Der Vater beantragt, die Beschwerde der Mutter zurückzuweisen und ihr die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und vertritt die Auffassung, dass ein Ausnahmetatbestand nach Art. 13 HKÜ hier nicht vorliege.
Die Verfahrensbeiständin hat in ihrer Stellungnahme vom 7. Februar 2023 ebenfalls angeregt, die Beschwerde zurückzuweisen. Auch vertritt sie die Auffassung, dass eine Verlängerung der Rückgabefrist nicht angezeigt sei; die Eltern ...