Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitverkündung: Prüfungsumfang im Ausgangsprozess

 

Leitsatz (amtlich)

Im Ausgangsprozess ist bei Anordnung der Zustellung einer Streitverkündungsschrift lediglich zu prüfen, ob eine Streitverkündung im Rechtssinn vorliegt. Die Unzulässigkeit einer Zustellung ist in § 72 Abs. 2 Satz 2 ZPO geregelt. Diese Bestimmung findet keine entsprechende Anwendung, wenn ein Antragsgegner eines selbständigen Beweisverfahrens weiteren Antragsgegnern den Streit verkündet.

 

Normenkette

ZPO §§ 72-73

 

Verfahrensgang

LG Fulda (Beschluss vom 31.03.2011; Aktenzeichen 2 OH 31/08)

 

Tenor

Der Beschluss der 2. Zivilkammer des LG Fulda vom 31.3.2011 wird abgeändert.

Die Zustellung der Streitverkündungsschrift des Beschwerdeführers vom 24.1.2011 an die Antragsgegner zu 1), 2) und 3) sowie an den Insolvenzverwalter über das Vermögen des Antragsgegners zu 3) Rechtsanwalt ..., Stadt1, wird angeordnet.

 

Gründe

1. In dem vorliegenden selbständigen Beweisverfahren begehrt der Antragsteller die Feststellung des baulichen Zustandes und verschiedener Mängel betreffend ein in seinem Eigentum stehenden Gebäude. Der Antragsteller zu 6) war mit Ingenieurleistungen für Statik, Bewehrung und Wärmeschutz beauftragt. Die Antragsgegner zu 1) und zu 2) waren die für das Bauvorhaben zuständigen Architekten, die das volle Leistungsbild nach § 15 HOAI zu erbringen hatten. Der Antragsgegner zu 3) betreibt ein bauausführendes Unternehmen. Über sein Vermögen ist inzwischen das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt ... aus Stadt1 zum Insolvenzverwalter bestellt worden.

Die A. plc verkündete namens des Antragsgegners zu 6) u.a. den Antragsgegnern zu 1), zu 2) und zu 3) sowie dem Insolvenzverwalter über das Vermögen der Antragsgegnerin zu 3) den Streit.

Das LG wies mit Verfügung vom 27.1.2011 darauf hin, dass Zweifel an einer Vertretungsberechtigung mit Blick auf § 79 ZPO bestünden. Mit weiterer Verfügung vom 21.2.2011 wurde dem Antragsgegner zu 6) mitgeteilt, dass die Erteilung einer Vollmacht für die A. plc nicht möglich sei und er sich allenfalls den Antrag zu Eigen machen könne. Letzteres geschah mit Schreiben vom 14.3.2011. Das LG wies darauf mit der angefochtenen Entscheidung die Streitverkündung als unstatthaft zurück, soweit sie gegenüber den Antragsgegnern zu 1) bis 3) und dem Insolvenzverwalter erklärt worden war. Zur Begründung ist ausgeführt, die Voraussetzungen des § 72 Abs. 1 ZPO lägen nicht vor, da die Antragsgegner und der Insolenzverwalter bereits an dem Beweisverfahren beteiligt und deswegen nicht Dritte im Sinne der genannten Vorschrift seien. Gegen diese dem Antragsgegner zu 6) am13.4.2011 zugestellte Entscheidung hat die A. plc in dessen Namen am 18.4.2011 Beschwerde eingelegt.

2. Bei dem Rechtsmittel handelt es sich um die nach § 567 Abs. 1 ZPO statthafte sofortige Beschwerde, die im Ergebnis auch zulässig ist.

Die sofortige Beschwerde hätte wirksam zwar nur von dem Antragsgegner zu 6) oder einer nach § 79 ZPO zu seiner Vertretung berechtigten Person eingelegt werden können. Ein persönlich von dem Antragsgegner zu 6) eingelegtes Rechtsmittel liegt nicht vor. Die A. plc gehört nicht zu dem nach § 79 Abs. 2 ZPO zur Vertretung einer Partei berechtigten Personenkreis. Ihr Auftreten als Vertreterin des Antragsgegners zu 6) ist zwar mit den Verfügungen des LG vom 21.01. und 21.2.2011 beanstandet worden. Indes sieht § 79 Abs. 3 Satz 1 ZPO für die Zurückweisung eines Vertreters einen Beschluss vor. Daran fehlt es schon deswegen, weil die Zurückweisung nur durch Verfügung eines Mitglieds der Zivilkammer angesprochen wurde und eine Kollegialentscheidung der Zivilkammer über eine Zurückweisung nach § 79 Abs. 3 ZPO nicht vorliegt. Ohne die hier nicht gegebene Beschlussfassung sind die Prozesshandlungen des nicht vertretungsberechtigten Versicherers, mithin auch die Rechtsmitteleinlegung, wirksam. Das folgt aus § 79 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

3. Das Rechtsmittel ist in der Sache begründet.

Die Frage, wann die in § 73 Satz 2 ZPO grundsätzlich angeordnete Zustellung der Streitverkündungsschrift zu unterbleiben hat, ist in § 72 Abs. 2 Satz 2 ZPO geregelt. Diese Vorschrift ist im Streitfall weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden.

a) Nach § 72 Abs. 1 ZPO kann eine Partei, die für den Fall des ihr ungünstigen Ausgangs des Rechtsstreits einen Anspruch auf Gewährleistung oder Schadloshaltung gegen einen Dritten erheben zu können glaubt oder den Anspruch eines Dritten besorgt, bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits dem Dritten gerichtlich den Streit verkünden. Diese Voraussetzungen der Zulässigkeit einer Streitverkündung sind grundsätzlich nicht bei der Anordnung der Zustellung der Streitverkündungsschrift, sondern erst im Folgeprozess zu prüfen (BGHZ 65, 127 ff., 130 f.; 70, 187 ff.; 160, 263 ff.; Beschluss vom 8.2.2011 VI ZB 31/09 zit. n. iuris; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 72 Rz. 1a m.w.N.).

Fehlt es indes an einer Streitverkündung im Rechtssinn, ist die unstatthafte Streitverkündung bereits im Ausgangsverfahren v...

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