Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine regelmäßige Erstattungspflicht für eine vorsorglich bereitgestellte Transportmöglichkeit des Schuldners
Leitsatz (amtlich)
Der Einwand unrichtiger Sachbehandlung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 GvKostG steht der Erhebung von Kosten für eine vorsorglich für den Transport eines Schuldners in die Justizvollzugsanstalt vorgehaltenen Transportmöglichkeit entgegen, wenn aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht des Gerichtsvollziehers unter Berücksichtigung des ihm zustehenden Ermessensspielraums und der konkreten Umstände des Einzelfalls keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für das Erfordernis des Transports besteht. Die vorsorgliche Bereitstellung muss außerdem unter Kostengesichtspunkten vertretbar sein und in Form einer geeigneten Transportmöglichkeit erfolgen.
Normenkette
GVGA §§ 58, 145; GVKostG § 9; KV-GvKostG § 7; ZPO § 802a
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Beschluss vom 17.12.2020; Aktenzeichen 4 T 348/20) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Auf die weitere Beschwerde der Gläubigerin vom 18.01.2021 gegen den Beschluss des Landgerichts Wiesbaden vom 17.12.2020 wird die Sache
zur erneuten Entscheidung über die Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des Amtsgericht Wiesbaden vom 20.10.2020 unter Beachtung der in den Gründen dieses Beschlusses niedergelegten Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts
an das Landgericht Wiesbaden zurückverwiesen.
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Der Beschwerdewert wird festgesetzt auf 20,- EUR.
Gründe
I. Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid. Nach Erlass eines Haftbefehls gemäß § 802g ZPO forderte der zuständige Obergerichtsvollzieher den Schuldner mit Schreiben vom 11. März 2019 auf, zur Vermeidung der Verhaftung im Geschäftszimmer des Obergerichtsvollziehers zu erscheinen und dort die Vermögensauskunft abzugeben.
Da der Schuldner der Aufforderung nicht nachkam, suchte der Obergerichtsvollzieher den Schuldner am 25. April 2019 gegen 20:00 Uhr in seiner Wohnung auf. Dabei ließ er sich vorsorglich von zwei als "Verhaftungsgehilfen" bezeichneten männlichen Personen begleiten, mit denen er auf der als "Verhaftungsrunde" bezeichneten Fahrt mehrere Schuldner aufsuchte. Für den Fall, dass der Transport eines verhafteten Schuldners in die zuständige Justizvollzugsanstalt erforderlich würde, hatte der Gerichtsvollzieher veranlasst, dass ein Schlüsseldienstunternehmen u.a. eine Transportmöglichkeit bereit hielt.
Nachdem der Schuldner die Zahlung und die Abgabe der Vermögensauskunft verweigert hatte, verhaftete der Obergerichtsvollzieher ihn. Hiernach gab der Schuldner die Vermögensauskunft ab.
Die Kosten für die beiden "Verhaftungsgehilfen" und die bereitgehaltene Transportmöglichkeit der "Verhaftungsrunde" stellte der Obergerichtsvollzieher den jeweiligen Gläubigern anteilig in Rechnung; im vorliegenden Fall waren dies - mit Rechnung vom 25.04.2019 - eine Gebühr nach KV 709 über 30,- EUR für die Hinzuziehung von zwei "Verhaftungsgehilfen" (jeweils 15,- EUR) und eine Gebühr nach KV 707 für "Transportkostenbereitstellung" über 20,- EUR.
Mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 2. Juni 2020 hat die Gläubigerin gegen den Ansatz dieser beiden Gebühren in Höhe von insgesamt 50,- EUR Erinnerung eingelegt, verbunden mit dem Antrag, den Obergerichtsvollzieher anzuweisen, seine Kostenrechnung vom 26. April 2019 zu berichtigen und einen Betrag in Höhe von 50,- EUR zurückzuerstatten. Hierzu hat sie u.a. geltend gemacht, die vorsorgliche Hinzuziehung von Verhaftungsgehilfen sowie eine vorsorgliche Bereitstellung von Transportmittel für eine Vollstreckungsmaßnahme seien nicht von § 759 ZPO gedeckt.
Der zuständige Obergerichtsvollzieher hat zunächst mit Schreiben vom 02. Juli 2019, Bl. 7 ff. d.A., nebst "Abrechnungsbeleg bzgl. Sammelrechnung für Auslagen" und Rechnung des Schlüsseldienstes) Stellung genommen. Mit Schreiben vom 08. Juni 2020 (Bl. 25 d.A.) hat er der Erinnerung nicht abgeholfen und seine Sonderakten an den Bezirksrevisor des Landgerichts Wiesbaden weitergeleitet. Ergänzend hat der Obergerichtsvollzieher mit Schreiben vom 16. Juni 2020 (Bl. 26 d.A.) zur Höhe der den "Verhaftungsgehilfen" gewährten Entschädigung Stellung genommen. Der Bezirksrevisor hat eine Stellungnahme des Präsidenten des Oberlandesgerichts vom 20. August 2020 eingeholt. In dieser hat der Präsident u.a. die fehlenden Vollstreckungsversuche vor der Inanspruchnahme von Arbeitshilfen für ggf. zu erbringende konkrete Leistungen (Öffnung des Schlosses, Transport zur JVA) beanstandet. Wegen des weiteren Inhalts der Stellungnahme wird auf Bl. 34 ff. d.A. Bezug genommen.
Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - hat mit Beschluss vom 20. Oktober 2020 (Bl. 46 ff. d.A.) die Kostenrechnung dahin abgeändert, dass Kosten in Höhe von 30,- EUR für die "Verhaftungsgehilfen" nicht erhoben werden und im Übrigen die Erinnerung zurückgewiesen. Zur Begründung der Zurückweisung hat es ausgeführt, die Erhebun...