Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Schutz durch § 122 ZPO bei Übernahme der Kostenlast durch Vergleich (Gerichtskosten können geltend gemacht werden, gem. § 59 RVG übergegangene Ansprüche nicht)

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Partei, der ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt ist und die in einem Vergleich die Verpflichtung, Kosten zu tragen, übernimmt, ist nicht von § 122 Abs. 1 Ziff. 1a) ZPO geschützt, es sei denn, auch dem Prozessgegner ist ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und die Parteien haben im Vergleich vereinbart, dass die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben werden.

2. Die Staatskasse kann die gem. § 59 Abs. 1 Satz 1 RVG auf sie übergegangenen Ansprüche des beigeordneten Prozessbevollmächtigten auch dann nicht gegen eine Partei, der ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt ist, geltend machen, wenn diese sich in einem Vergleich dazu verpflichtet hat, (einen Anteil) der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

Normenkette

GKG § 29 Nr. 2, § 31 Abs. 3; RVG § 59 Abs. 1 S. 1; ZPO § 122 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 08.06.2011; Aktenzeichen 2-17 O 50/10)

 

Tenor

In der Beschwerdesache... wird der Beschl. des LG Frankfurt v. 8.6.2011 auf die Beschwerde der Klägerin v. 20.6.2011 abgeändert.

Die Kostenrechnung der Gerichtskasse Frankfurt v. 8.4.2011 - Kassenzeichen 014769502007 - wird aufgehoben, soweit diese über einen Betrag von 1.156,-- EUR hinausgeht.

Die weitergehende Beschwerde der Klägerin wird zurückgewiesen.

Das Verfahren ist gerichtskostenfrei. Auslagen werden nicht erstattet.

 

Gründe

1. Die Klägerin nahm - nach Bewilligung ratenfreier Prozesskostenhilfe - die beklagte Bank auf Feststellung ihrer Haftungsfreiheit aus einem Darlehensvertrag in Anspruch.

Der Rechtsstreit endete mit einem Vergleich nach § 278 Abs. 6 S. 2 ZPO, nach dem die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs gegen einander aufgehoben wurden, die Gerichtskosten fielen der Klägerin zur Last.

Auf entsprechenden Antrag vergütete die Staatskasse die Tätigkeit des beigeordneten Klägervertreters mit 1.602,34 EUR.

Die Klägerin erhielt sodann eine Rechnung der Gerichtskasse Frankfurt v. 8.4.2011 über 2.758,34 EUR (Rechtsanwaltsvergütung 1.602,34 EUR, Gerichtskosten 1.156,-- EUR).

Gegen diesen Kostenansatz legte die Klägerin mit Schreiben v. 20.5.2011 Erinnerung ein. Das LG Frankfurt hat Beschl. v. 8.6.2011 die Erinnerung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin v. 20.6.2011.

2. Die nach § 66 II GKG statthafte Beschwerde ist zulässig und hinsichtlich der in Rechnung gestellten Rechtsanwaltsvergütung i.H.v. 1.602,34 EUR begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.

a) Die Klägerin schuldet die ihr in Rechnung gestellten Gerichtskosten nach § 29 Nr. 2 GKG, weil sie sich in dem gerichtlichen Vergleich v. 2.3.2011 verpflichtet hat, die Gerichtskosten zu tragen. Diese Haftung des so genannten Übernahmeschuldners für die Gerichtskosten wird auch nicht dadurch ausgeräumt, dass das LG der Klägerin mit Beschl. v. 28.8.2010 ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt hatte.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe bewirkt nach § 122 I Nr. 1a ZPO lediglich, dass die bedürftige Partei zunächst vorläufig von der Zahlung der Gerichtskosten und eigener Anwaltskosten befreit wird. Das betrifft jedenfalls diejenigen Fälle, in denen die klagende Partei als Entscheidungsschuldnerin diese Kosten schuldet.

Anders verhält es sich aber, wenn die bedürftige Partei freiwillig die Gerichtskosten ganz oder zum Teil übernimmt.

Zwar bestimmt § 122 Abs. 1 Nr. 1a) ZPO, dass die bedürftige Partei infolge der Bewilligung von Prozesskostenhilfe zumindest vorläufig von der Verpflichtung befreit ist, Gerichtskosten zu zahlen. Dies gilt aber nicht, wenn sie sich freiwillig dazu verpflichtet hat, diese Kosten ganz oder teilweise zu tragen. Aus der in der Regelung des § 31 Abs. 3 GKG zum Ausdruck gekommenen Wertung des Gesetzgebers ergibt sich, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nur Entscheidungsschuldner iS von § 29 Nr. 1 GKG davor schützt, Gerichtskosten tragen zu müssen. Dies ist sachgerecht, weil die bedürftige Partei selbst darüber entscheiden kann, ob sie zum Übernahmeschuldner iS von § 29 Nr. 2 GKG wird. Würde man auch im Falle der freiwilligen Übernahme von Gerichtskosten auf der Grundlage von § 122 Abs. 1 Nr. 1a) ZPO Kostenfreiheit gewähren, bestünde die Gefahr, dass Vergleiche geschlossen würden, in denen eine vermögende Partei der bedürftigen in der Hauptsache entgegenkommt und diese dafür - und sei es auch nur teilweise - die bei ihr nicht beitreibbaren Gerichtskosten übernimmt. Des Weiteren bleibt es einer bedürftigen Partei unbenommen, hinsichtlich der Hauptsache einen Vergleich abzuschließen und bezüglich der Kosten eine Entsch. des Gerichts nach § 91a ZPO herbeizuführen, die gewährleistet, dass eine mit der Sach- und Rechtslage übereinstimmende Kostenentscheidung ergeht.

Daraus folgt, dass die auf § 29 Nr. 2 GKG beruhende Kostenhaftung des Übernahmeschuldners von § 122 I...

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