Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenhaftung des Übernahmeschuldners bei Prozesskostenhilfe

 

Leitsatz (amtlich)

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe bewirkt nach § 122 I Nr. 1a ZPO lediglich, dass die bedürftige Partei zunächst vorläufig von der Zahlung der Gerichtskosten und eigener Anwaltskosten befreit wird. Das betrifft jedenfalls diejenigen Fälle, in denen die klagende Partei als Entscheidungsschuldnerin diese Kosten schuldet. Anders verhält es sich aber, wenn die bedürftige Partei freiwillig die Gerichtskosten ganz oder zum Teil übernimmt. In einem solchen Fall hat sie selbst in Hand, ob sie Gerichtskosten trägt und in welchem Umfang das geschieht. Daraus folgt, dass die auf § 29 Nr. 2 GKG beruhende Kostenhaftung des Übernahmeschuldners von § 122 I Nr. 1a ZPO unberührt bleibt.

 

Normenkette

ZPO § 122 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a; GKG § 29 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 11.10.2010; Aktenzeichen 2-27 O 480/09)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Staatskasse vom 22.10.2010 wird der Beschluss des LG Frankfurt/M. vom 11.10.2010 abgeändert.

Die Erinnerung des Klägers gegen die Kostenrechnung vom 3.8.2010 - Kassenzeichen ... - wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei. Auslagen werden nicht erstattet.

 

Gründe

1. Der Kläger, dem mit Beschluss des LG Frankfurt/M. vom 5.5.2010 ratenfreie Prozesskostenhilfe gewährt worden war, begehrte von der Beklagten - der X ... GmbH - 5.453,79 EUR für die Durchführung von Reinigungsarbeiten, die er als selbständiger Gebäudereiniger in deren Auftrag vorgenommen hatte.

Mit dem sodann am 28.5.2010 geschlossenen Vergleich verpflichtete sich die Beklagte zur Abgeltung der Ansprüche aus den streitgegenständlichen Reinigungsverträgen an den Kläger 2.900,- EUR zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich derjenigen des Vergleichs wurden gegeneinander aufgehoben.

Mit Rechnung vom 3.8.2010 der Gerichtskasse Frankfurt wurde der Kläger sodann aufgefordert, einen Betrag von 732,87 EUR zu zahlen, nämlich 960,93 EUR der seitens der Staatskasse an den Klägervertreter entrichteten Rechtsanwaltsvergütung, zzgl. der hälftigen Gerichtskosten i.H.v. weiteren 179,94 EUR abzgl. der bereits entrichteten Vorschüsse i.H.v. 408,- EUR.

Mit Schriftsatz vom 11.8.2010 legte der Klägervertreter Erinnerung gegen die Kostenrechnung ein, weil dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt worden sei, woraufhin das LG mit Beschluss vom 11.10.2010 die Kostenrechnung aufhob. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Bezirksrevisors, der das LG nicht abgeholfen hat.

2. Die nach § 66 II GKG statthafte Beschwerde ist zulässig und begründet.

Der Kläger schuldet zunächst die ihm in Rechnung gestellten Gerichtskosten nach § 29 Nr. 2 GKG, weil er sich in dem gerichtlichen Vergleich vom 28.5.2010 durch Vereinbarung der Kostenaufhebung verpflichtet hat, die Hälfte der Gerichtskosten zu übernehmen (§ 92 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Diese Haftung des sog. Übernahmeschuldners für die Gerichtskosten wird auch nicht dadurch ausgeräumt, dass das LG dem Kläger mit Beschluss vom 5.5.2010 ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt hatte.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe bewirkt nach § 122 I Nr. 1a ZPO lediglich, dass die bedürftige Partei zunächst vorläufig von der Zahlung der Gerichtskosten und eigener Anwaltskosten befreit wird. Das betrifft jedenfalls diejenigen Fälle, in denen die klagende Partei als Entscheidungsschuldnerin diese Kosten schuldet. Anders verhält es sich aber, wenn die bedürftige Partei freiwillig die Gerichtskosten ganz oder zum Teil übernimmt. In einem solchen Fall hat sie selbst in Hand, ob sie Gerichtskosten trägt und in welchem Umfang das geschieht. Eine Gewährung der Kostenfreiheit nach § 122 Abs. I Nr. 1a ZPO würde in diesem Fall die Gefahr begründen, dass zwischen den Parteien eine einvernehmliche Kostenregelung zum Nachteil der Staatskasse vereinbart werden könnte. Daraus folgt, dass die auf § 29 Nr. 2 GKG beruhende Kostenhaftung des Übernahmeschuldners von § 122 I Nr. 1a ZPO unberührt bleibt.

Nichts anderes kann für die nach § 59 RVG auf die Staatskasse übergegangenen Ansprüche des Klägervertreters auf die Rechtsanwaltsvergütung gelten. Denn anderenfalls könnte eine Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, zu Lasten der Staatskasse durch einen Vergleich die Ersatzansprüche der Staatskasse vereiteln.

Der Hinweis des LG in der angefochtenen Entscheidung auf den Beschluss des OLG Rostock vom 20.10.2009 - 5 W 55/09 - greift nach Auffassung des Senats nicht durch. Das OLG Rostock hat seine Entscheidung ausdrücklich auf den anders zu beurteilenden Fall der beiderseitigen - also beiden Parteien bewilligten - Prozesskostenhilfe beschränkt und betont, dass in Fällen wie dem vorliegenden, in welchen einem bedürftigen Kläger ein vermögender Beklagter gegenübersteht, dem Missbrauchsargument durchaus Bedeutung zukomme.

Den Parteien bleibt es in Falle eines Vergleichs unbenommen, das Gericht nach § 91a ZPO über die Kostentragung entscheiden zu lassen, so dass der bedürftige Klä...

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