Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzumutbare Einsicht in Handelsbücher und Geschäftsunterlagen während der Corona-Pandemie in vollgestelltem Kellerraum
Leitsatz (amtlich)
1. Ob und in welcher Weise die Gesellschaft den Gesellschafter bei der Einsicht in ihre Bücher und Schriften im Einzelfall aktiv zu unterstützen hat, richtet sich nach dem Gebot der Verhältnismäßigkeit. Abzuwägen ist die hierdurch verursachte Belastung der Gesellschaft gegen die Erschwerung der Ausübung des Einsichtsrechts ohne die Unterstützung.
2. Die gebotene Abwägung kann im Einzelfall dazu führen, dass während der Corona-Epedemie zur Einhaltung der Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts dem Gesellschafter eine Einsichtnahme außerhalb der Geschäftsräume der Gesellschaft zu ermöglichen ist.
Normenkette
GmbHG § 51a
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 27.07.2020; Aktenzeichen 2-22 O 7/19) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 27. Juli 2020 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragsgegnerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Gesellschafterin die Antragstellerin ist. Weiterer Gesellschafter ist der Alleingeschäftsführer der Gesellschaft Herr A. Der Gegenstand der Antragsgegnerin bestand in der Verwaltung eigenen Vermögens. Sie verfügt über ein Stammkapital von 25.000 EUR und wurde im Jahr 2008 von den jetzigen Gesellschaftern gegründet.
Mit mittlerweile rechtskräftigem Beschluss vom 10. Februar 2020 gab das Landgericht im Verfahren nach § 51b GmbHG der Antragsgegnerin auf, der Antragstellerin Einsicht in die vollständigen Handelsbücher und Geschäftsunterlagen der Antragsgegnerin einschließlich der Korrespondenz und Buchungsbelege der Jahre 2008 bis 2019 zu gewähren, wobei ihr hierbei gestattet wurde, sich der Rechtsanwälte B und C zu bedienen (Bl. 71 ff. d. A.).
Am 15. Mai 2020 kam es nach vorangegangenem E-Mail-Verkehr zwischen den Beteiligten zu einer Zusammenkunft der vorgenannten Rechtsanwälte sowie Vertretern der Antragsgegnerin in dem - nach Angaben der Antragsgegnerin - einzigen Geschäftsraum der Antragsgegnerin, einem - insoweit unstreitig - 13 qm großen, mit zahlreichen Kartons gefüllten Raum im Wohnhaus des Geschäftsführers der Antragsgegnerin. Die Bevollmächtigten der Antragstellerin brachen nach kurzer Diskussion den Termin aus zwischen den Beteiligten im Einzelnen streitigen Gründen wegen einer Unzumutbarkeit der vorgefundenen Bedingungen ohne Einsichtnahme in die sich im Raum befindlichen Unterlagen ab.
Auf den anschließenden Antrag der Antragstellerin vom 25. Juni 2020 (Bl. 89 ff. d. A.) hat das Landgericht sodann mit dem angefochtenen Beschluss gegen die Antragsgegnerin ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000 EUR, ersatzweise für je 250 EUR einen Tag an dem Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu vollstreckende Zwangshaft verhängt. Zur Begründung führte die Kammer aus, dass die Antragsgegnerin die titulierte Verpflichtung bislang nicht erfüllt und zudem nichts vorgebracht habe, was der Informationsverpflichtung entgegenstehen könne (Bl. 170 ff. d. A.).
Gegen den ihrer Verfahrensbevollmächtigten am 31. Juli 2020 (Bl. 199 d. A.) zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin mit am 13. August 2020 (Bl. 201 ff. d. A.) beim Landgericht eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat sich die Beschwerdeführerin vornehmlich auf ihren Schriftsatz zur Zurückweisung des Antrags berufen, den das Landgericht versehentlich nicht zur Kenntnis genommen hat. Darin hat die Antragsgegnerin geltend gemacht, der Antrag sei bereits unzulässig, da die Vollstreckung des Einsichtsrechts nicht nach § 888 ZPO, sondern nach § 883 ZPO erfolge. Darüber hinaus hat sie im Einzelnen ausgeführt, dass sie die Verpflichtung zur Einsichtsgewährung bereits erfüllt habe. Der zur Verfügung gestellte Raum sowie die übrigen äußeren Bedingungen hätten eine ordnungsgemäße Einsichtnahme ermöglicht. Die von der Antragstellerin für die Verweigerung der Einsichtnahme geltend gemachte Gesundheitsgefährdung wegen der aktuellen Corona - Pandemie sei nur ein vorgeschobener Grund gewesen. Darüber hinaus habe im Zweifel auch auf Nachfrage mehr Platz in dem Raum geschaffen werden können.
Das Landgericht hat der Beschwerde auch nach Kenntnisnahme des zunächst übergangenen Schriftsatzes der Antragsgegnerin und nach entsprechender Stellungnahme der Antragstellerin nicht abgeholfen, sondern das Verfahren dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt, woraufhin die Beteiligten ergänzend vorgetragen haben.
II. Die Beschwerde, über die der Senat in voller Besetzung zu entscheiden hat, ist zwar zulässig, aber unbegründet. Sie ist deshalb zurückzuweisen.
1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist gemäß § 87 Abs. 4 FamFG i.V.m. §§ 567 ff. ZPO statthaft, weil sich die Beschwerdeführerin mit ihrem Rechtsmittel gegen einen im Vollstreckungsverfahren erga...