Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert bei unlauterer Nachahmung einer Uhr
Leitsatz (amtlich)
Für die Nachahmung einer hochpreisigen Uhr ist im einstweiligen Verfügungsverfahren ein Streitwert von 200.000 EUR nicht zu hoch.
Normenkette
GKG § 51; UWG § 4 Nr. 3
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 24.05.2023; Aktenzeichen 3-10 O 36/23) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Streitwertfestsetzung im Beschluss (einstweilige Verfügung) der 10. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main vom 24.05.2023 (Az. 3-10 O 36/23) wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Antragstellerin ist Teil der A-Gruppe. Sie stellt (u.a.) sog. Pilotenuhren her, die sie unter der Marke "IWC" vertreibt, darunter die C (...) wie auf Seite 5 des Eilantrags abgebildet.
Die Antragsgegnerin vertreibt Uhren und Schmuck in ihrem Geschäftslokal sowie über ihre Internetseite www.(...).de. Dort bot sie am 28.03.2023 die Uhr "Festina Modell1" für 1.200 Euro bzw. - bei Verwendung eines Gutscheincodes - 1.083 Euro an (vgl. S. 46 des Eilantrags, GA 48). Zulieferin ist die X GmbH, einer für den Vertrieb in Deutschland zuständigen Tochtergesellschaft der spanischen Herstellerin der FESTINA-Uhren X Lotus S.A.
Die Antragstellerin ließ die Antragstellerin mit anwaltlicher E-Mail vom 29.03.2023 ("2022" ist ein Schreibversehen) unter Fristsetzung bis zum 12.04.2023 (u.a.) wegen vermeidbarer Herkunftstäuschung (§ 4 Nr. 3 Buchst. a UWG) zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung auffordern. Nach ihrer Auffassung ist die von der Antragsgegnerin angebotene FESTINA-Uhr eine nahezu identische Nachahmung ihrer Uhr/en. Ihrer Forderung nach Anwaltskostenersatz legte die Antragstellerin insofern einen Gegenstandswert von 500.000 Euro zugrunde.
Die Antragsgegnerin sprach mit Anwaltsschreiben vom 06.04.2023 eine "Gegenabmahnung" aus mit dem Hinweis, der von der Antragstellerin angesetzte Streitwert sei für die Angelegenheit deutlich überhöht. Sie legte 50.000 Euro zugrunde.
Mit Beschluss - einstweiliger Verfügung - vom 24.05.2023 hat das Landgericht der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel wegen Verstoßes gegen § 4 Nr. 3 b) UWG antragsgemäß untersagt, im geschäftlichen Verkehr in Deutschland zu Zwecken des Wettbewerbs die konkret abgebildete(n) Uhr(en) des Herstellers "FESTINA" (unabhängig von der farblichen Gestaltung) anzubieten und/oder zu bewerben und/oder zu vertreiben. Den Streitwert hat es gemäß der Angabe in der Antragsschrift auf 200.000 Euro festgesetzt (vgl. GA 203 ff.).
Die Antragsgegnerin hat die einstweilige Verfügung (jedenfalls ihrer Angabe nach) als endgültige Regelung anerkannt.
Mit ihrer Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung vom 20.06.2023 beantragt sie, den Streitwert auf höchstens 10.000 Euro herabzusetzen.
Die Antragsgegnerin behauptet, sie habe als kleines, familiengeführtes Unternehmen, das ihr Geschäftsführer gemeinsam mit seiner Ehefrau betreibe, im Jahr 2019 weniger als 12.900 Euro Gewinn erzielt und unter 80.000 Euro an Gehältern gezahlt (vgl. die eidesstattliche Versicherung ihres Steuerberaters in Anlage A66, GA 324). Es sei nur eine Uhr der streitgegenständlichen Art bestellt und diese Bestellung widerrufen worden, weshalb sie letztlich keine Uhr dauerhaft in Verkehr gebracht habe. Die Angelegenheit habe für sie keine bzw. nur äußerst geringe wirtschaftliche Bedeutung.
Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, der Streitwert sei daher nach § 51 Abs. 3 GKG auf 1.000 Euro festzusetzen. Das Vorgehen gegen sie und die parallelen Abmahnungen wegen der gleichen Uhr der Q GmbH & Co. KG (gleichlautend und vom selben Tag, vgl. Anlage AG 65) und der X Uhren GmbH sowie die gegenüber der X Lotus S.A. und der Y erwirkten einstweiligen Verfügungen seien nach § 15 Abs. 2 RVG gebührenrechtlich eine Angelegenheit. Der Abmahnende müsse die Anzahl der abgemahnten Rechtsverletzungen, den Gegenstandswert und den auf den jeweiligen Abgemahnten entfallenden Bruchteil nennen (Büscher, GRUR 2021, 162, 167). Ein fehlender Hinweis hierauf indiziere einen Rechtsmissbrauch.
Die Antragstellerin verteidigt die angefochtene Streitwertfestsetzung. Sie ist der Ansicht, die (von ihr weitgehend mit Nichtwissen bestrittenen) Behauptungen der Antragsgegnerin nach Erlass der einstweiligen Verfügungen sollten nur deren Kostenlast reduzieren. § 15 Abs. 2 RVG sei erst im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen. Ihre Streitwertangabe in der Antragsschrift entspreche unter Berücksichtigung der von ihr dargelegten Verkaufs- und Umsatzzahlen der billigem Ermessen (§ 51 Abs. 2 und. 4 GKG). § 51 Abs. 3 GKG sei nicht einschlägig. Die Antragsgegnerin habe mit ihrer Rechtsverteidigung, u.a. der Mandatierung einer renommierten Sozietät, der Anzeige der Mitwirkung eines Patentanwalts, der Bezugnahme auf ein Verkehrsgutachten und dem in ihrer Gegenabmahnung angegebenen ...