Leitsatz (amtlich)
Jedenfalls nach den im Eilverfahren bestehenden Erkenntnismöglichkeiten ist ein Mittel, das zur Vermeidung der Folgen einer Lactoseintoleranz die vom menschlichen Körper nicht mehr erfüllte Aufgabe der Aufspaltung von Milchzucker durch Zuführung eines Enzyms übernimmt, nicht als Funktionsarzneimittel einzustufen; insbesondere fehlt es insoweit sowohl an einer metabolischen als auch an einer pharmakologischen Wirkung.
Normenkette
AMG §§ 2, 21
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2-6 O 20/08) |
Gründe
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache keinen Erfolg.
I. Bereits mangels Vorliegens eines Verfügungsgrundes unzulässig ist das Eilbegehren mit den Hilfsanträgen, welche der Antragsteller mit Schriftsatz vom 27.5.2008 erstmals gestellt hat. Die Hilfsanträge unterscheiden sich von den Hauptanträgen dadurch, dass der letzte Halbsatz fehlt: "... solange die Produkte nicht als Arzneimittel zugelassen sind". Der Antragsteller stellt sie für den Fall, dass der Senat der Auffassung sein sollte, die Produkte der Antragsgegnerin seien als ergänzende bilanzierte Diäten für besondere medizinische Zwecke i.S.d. § 1 Abs. 4a S. 3 Nr. 2 DiätV verkehrsfähig. Zur Begründung führt der Antragsteller aus, es sei unstreitig, dass die Produkte der Antragsgegnerin nicht als ergänzende bilanzierte Diäten in den Verkehr gebracht würden, sondern als Lebensmittelzusatz.
Abgesehen davon, dass es ein ungewöhnliches prozessuales Vorgehen ist, als Antragsteller selbst zur Einordnung eines angegriffenen Erzeugnisses, hier als ergänzende bilanzierte Diät, nichts vorzutragen und ein Verbot für den Fall zu beantragen, dass der Senat - aus welchen Gründen auch immer - zu einer solchen Einschätzung gelangt, führt der Antragsteller mit diesen Hilfsanträgen über vier Monate nach Einleitung des Eilverfahrens einen neuen Streitgegenstand ein, wofür kein Verfügungsgrund besteht. Der Antragsteller war nicht gehindert, diesen rechtlichen Gesichtspunkt von Anfang an zum Gegenstand eines hilfsweise verfolgten Begehrens zu machen. Mit seinem Zuwarten hat er die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG widerlegt.
II. Hinsichtlich der Hauptanträge besteht jedenfalls kein Verfügungsanspruch. Ein solcher folgt insbesondere nicht aus §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 2, 21 AMG.
Dem Antragsteller ist es nicht gelungen, in diesem Eilverfahren in einer für den Ausspruch des begehrten Verbotes hinreichenden Weise glaubhaft zu machen, dass es sich bei den angegriffenen Produkten "A", "B", "C" und "D" der Antragsgegnerin um Arzneimittel gem. § 2 AMG handelt, die der Zulassungspflicht des § 21 AMG unterliegen. Zur Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung sowie im Nichtabhilfebeschluss des LG vom 13.3.2008 Bezug genommen; auch das weitere Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.
Der Arzneimittelbegriff hat durch Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/EG in der Fassung, die diese Vorschrift durch Art. 1 Nr. 1b) der Richtlinie 2004/27/EG erhalten hat, eine Vollharmonisierung erfahren mit der Folge, dass der nationale Arzneimittelbegriff nunmehr, nach Ablauf der in Art. 3 der Richtlinie 2004/27/EG vorgesehenen Umsetzungsfrist am 30.10.2005, richtlinienkonform auszulegen ist (BGH WRP 2006, 736, Tz. 33 - Arzneimittelwerbung im Internet; Senat, Urt. v. 29.4.2008 - 6 U 109/07, S. 8). Soweit der Antragsteller, der diese Auffassung in seinen erstinstanzlichen Schriftsätzen ausdrücklich geteilt hat, meint, dies im Hinblick auf die Entscheidung des EuGH "Knoblauch-Extrakt-Pulver-Kapsel" (GRUR 2008, 271 ff.) anders sehen zu müssen, ist dem nicht zu folgen. Die Entscheidung befasst sich nicht mit der Richtlinie 2004/27/EG und der darin vorgesehenen Neudefinition des Arzneimittelbegriffs, sondern geht noch von der Richtlinie 2001/83/EG aus.
Wie das LG in seinem Zurückweisungsbeschluss zutreffend festgestellt hat, handelt es sich bei den angegriffenen Produkten nicht um Präsentationsarzneimittel i.S.v. Art. 1 Nr. 2a) der Richtlinie 2001/83/EG in der Fassung der Richtlinie 2004/27/EG. Wie der Antragsteller in seiner Beschwerdebegründung nochmals klargestellt hat, ist sein Eilantrag darauf auch nicht gestützt.
Es ist jedoch davon auszugehen, dass es sich bei den angegriffenen Produkten auch nicht um Funktionsarzneimittel i.S.v. Art. 1 Nr. 2 lit. b) der Richtlinie handelt. Jedenfalls vermochte der Antragsteller dies nicht glaubhaft zu machen.
Nach Art. 1 Nr. 2b) der Richtlinie sind Funktionsarzneimittel "alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die im oder am menschlichen Körper verabreicht werden, um entweder die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen ...".
Durch die angegriffenen Produkte werden die menschlichen physiologischen Funktionen weder wiederhergestellt noch korrigiert noch beeinflusst, und zwar weder durch eine pharmakologische noch durch eine metabol...