Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtanwendung auch von § 18 Abs. 1 VersAusglG bei gesetzlicher Rentenversicherung
Normenkette
VersAusglG § 18 Abs. 1, 3
Verfahrensgang
AG Gießen (Beschluss vom 10.06.2013; Aktenzeichen 245 F 2233/12) |
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu EUR 2.000 festgesetzt (§ 50 FamGKG). Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
Die Ehe der Beteiligten wurde mit Beschluss vom 10.6.2013 geschieden. Gleichzeitig wurden in der Verbundentscheidung die jeweils in der Ehezeit erworbenen Anrechte der Beteiligten in der Deutschen Rentenversicherung ... hälftig intern geteilt. Die Antragstellerin hat in der Ehezeit bei der deutschen Rentenversicherung ... ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil i.H.v. 12,1544 Entgeltpunkten erworben (korrespondierender Kapitalwert des Ausgleichswertes i.H.v. 6,0772 EP: 38.647,44 EUR), während sich der Ehezeitanteil des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung ... auf 11,5926 Entgeltpunkte (korrespondierender Kapitalwert des Ausgleichswertes i.H.v. 5,7963 EP: 36.861,08 EUR) beläuft. Die Differenz der Kapitalwerte der beiden Ausgleichswerte beträgt 1.786,36 EUR. Beide Ehegatten beziehen noch keine Rente. Das AG begründete den Ausgleich der Anrechte trotz geringfügiger Differenz damit, dass weder ein unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand noch Splitterversorgungen entstünden.
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Antragstellerin gegen den Ausgleich der Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung. Ein Ausgleich habe gem. § 18 Abs. 1 VersAusglG nicht zu erfolgen, da die Differenz der Kapitalwerte der beiden Ausgleichswerte geringfügig i.S.d. § 18 Abs. 3 VersAusglG sei. Es entspräche nicht der gesetzgeberischen Intention, dass der Halbteilungsgrundsatz auch in diesen Fällen zum Ausgleich der Anrechte führe.
Der Antragsgegner verteidigt die Entscheidung des AG. Auch die weitere Beteiligte hat im Beschwerdeverfahren mitgeteilt, dass die angegriffene Entscheidung der Auffassung der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung entspreche.
Die Beschwerde ist gem. §§ 58 ff. FamFG zulässig, aber unbegründet.
Das AG hat zu Recht - ohne Anwendung der Bagatellregelung des § 18 Abs. 1 VersAusglG - einen Ausgleich der bei der gesetzlichen Rentenversicherung bestehenden Anrechte vorgenommen. Obwohl die Differenz der Kapitalwerte der Ausgleichswerte ... mit 1.786,36 EUR den Grenzwert nach § 18 Abs. 3 VersAusglG i.V.m. § 18 Abs. 1 SGB IV (zum Ehezeitende: 3.066 EUR) nicht übersteigt, hält der Senat den Ausgleich der Anrechte für geboten. Mit der grundsätzlich gem. § 1 VersAusglG vorgesehenen hälftigen Teilung der erworbenen Anrechte soll die gleiche Teilhabe der Ehegatten an dem in der Ehe erwirtschafteten Versorgungsvermögen gewährleistet werden. Auch wenn dieser Halbteilungsgrundsatz - wie sich beispielsweise in den Regelungen der §§ 18 und 27 VersAusglG zeigt - vom Gesetz nicht ausnahmslos eingehalten wird, so ist er gleichwohl der - auch verfassungsrechtlich gebotene - Maßstab des Versorgungsausgleichsrechts und bei der Auslegung einzelner Vorschriften und bei Ermessensentscheidungen vorrangig zu berücksichtigen (BGH FamRZ 2013, 1636; FamRZ 2012, 513). Ziel der Regelung des § 18 VersAusglG ist vornehmlich die Vermeidung eines unverhältnismäßigen Aufwands für den Versorgungsträger (vgl. BT-Drucks. 16/10144, 60) sowie die Vermeidung von Splitterversorgungen. Es sind daher die Belange der Verwaltungseffizienz auf Seiten der Versorgungsträger gegen das Interesse des ausgleichsberechtigten Ehegatten an der Erlangung auch geringfügiger Anrechte abzuwägen (BGH FamRZ 2013, 1636; FamRZ 2012, 513).
Zwar sind Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht generell vom Bagatellausschluss nach § 18 VersAusglG ausgenommen (vgl. BGH FamRZ 2012, 192 ff. Rz. 39; OLG Stuttgart FamRZ 2013, 1742). Die Beachtung der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Bagatellausschluss entwickelten Grundsätze hat jedoch zur Folge, dass diese Anrechte jedenfalls dann trotz geringen Ausgleichswerts (§ 18 Abs. 2 VersAusglG) oder geringer Wertdifferenz (§ 18 Abs. 1 VersAusglG) auszugleichen sind, wenn für beide Ehegatten bereits ein Versicherungskonto vorhanden ist und beide früheren Ehegatten noch keine Rente beziehen. In diesen Fällen beschränkt sich nämlich der Teilungsaufwand des Versorgungsträgers auf die Prüfung der gerichtlichen Entscheidung und die Umbuchung der Ausgleichswerte auf das Versicherungskonto des jeweils Berechtigten (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 2014, 132; OLG Celle NJW-RR 2011, 1571; OLG Karlsruhe FamRZ 2011, 979; OLG Frankfurt FamFR 2011, 469; 5 UF 10/13; OLG Hamm FamRZ 2012, 713; a.A. OLG Stuttgart FamRZ 2013, 1742; FamRZ 2010, 1805). Ein zusätzlicher Aufwand für die Verwaltung des übertragenen Anrechts in der Anwartschaftsphase entsteht dem Versorgungsträger nicht, wenn für den Ausgleichsberechtigten bereits ein Versicherungskonto und damit...