Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitwirkungspflicht des Antragstellers im Erbscheinsverfahren und Amtsermittlungspflicht
Leitsatz (amtlich)
Entspricht ein Erbscheinsantrag aufgrund fehlender Angabe von Beweismitteln nicht den gesetzlichen Vorschriften, so ist er unzulässig, auch wenn der Antragsteller die Beweismittel ohne Verschulden nicht vorlegen kann. Die fehlenden Beweise sind nicht von Amts wegen zu ermitteln. Dies gilt jedenfalls für vor dem 17.08.2015 verstorbene Erblasser.
Normenkette
BGB §§ 2354, 2356, 2358 Abs. 1; FamFG §§ 26, 352 Abs. 3; ZPO § 792
Verfahrensgang
AG Offenbach (Beschluss vom 06.07.2019) |
Nachgehend
Tenor
Ein Rechtsmittel ist nicht bekannt geworden.
Das erstinstanzliche Aktenzeichen wird aus Gründen des Persönlichkeitsschutz nicht mitgeteilt.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 500 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligte zu 2 war die Ehefrau, die Beteiligte zu 3 ist die Tochter des am XX.XX.2009 verstorbenen Vorname1 A (im Folgenden: Erblasser).
Der Erblasser war persönlich haftender Gesellschafter der in Stadt1 ansässigen X, Vorname1 A & Co. KG, Fabrikation chemischer und technischer Erzeugnisse (im Folgenden: X KG), die 1991 umfirmierte in Vorname1 A & Co. KG. Die Beteiligte zu 2 war in dem Unternehmen Prokuristin.
Ausweislich einer Eintragung im Handelsregister aus dem Jahr 1967 lebte der Erblasser in den USA. Er soll auch in England gelebt haben, wo er eine "zweite Familie" unterhalten haben soll, aus der "mindestens eine" Tochter hervorgegangen sein soll.
Seit 1988 war vor der Bank1, einem niederländischen Gericht, ein Rechtsstreit der Beteiligten zu 1 gegen die X KG und den Erblasser persönlich anhängig. Die Bank1 stellte 1996 in einem Grundurteil einen Schadensersatzanspruch der Beteiligten zu 1 gegen die X KG fest. Mit Urteil vom 09.09.2009 wurde der Erblasser, knapp zwei Monate vor seinem Tod, durch die Bank1 zur Zahlung von 416.354,15 EUR nebst Zinsen und Kosten verurteilt (Bl. 83 ff. d.A.; übersetzt Bl. 90 ff. d.A.). Das Urteil wurde rechtskräftig.
Die Beteiligte zu 3 war durch das Amtsgericht Offenbach am Main - Betreuungsgericht - seit 14.04.2009 zur (zunächst vorläufigen) Betreuerin des Erblassers bestellt worden, unter anderem mit dem Aufgabenkreis "Vermögenssorge" (vgl. Bl. 238 d.A.).
In der Sterbefallsanzeige des Ortsgerichts Stadt1 vom 16.11.2009 (Bl. 1 ff. d.A.), deren Inhalt auf den Angaben der Beteiligten zu 2 beruht, sind als Kinder des Erblassers die Beteiligte zu 3 und "eine uneheliche Tochter Vorname2, weiteres nicht bekannt, wohnt in GB" angegeben. Die Frage "Ist der Nachlass voraussichtlich verschuldet?" ist mit "Nein" beantwortet.
Mit Ausfüllung eines Fragebogens des Nachlassgerichts erklärte die Beteiligte zu 2 am 17.01.2010, sie nehme die Erbschaft an (Bl. 11 d.A.).
Mit Schreiben vom 03.09.2010 übermittelte der damalige Bevollmächtigte der Beteiligten zu 1 den Beteiligten zu 2 und 3 das Urteil der Bank1.
Die Beteiligten zu 2 und 3 schlugen in notariell beglaubigten Erklärungen vom 13.10.2010 (Bl. 16 ff. d.A.) die Erbschaft nach dem Erblasser aus und fochten die Annahme der Erbschaft wegen Irrtums an. Sie hätten von dem Rechtsstreit in den Niederlanden und dem Urteil keine Kenntnis gehabt und hätten erst mit der Übersendung des Urteils von der Überschuldung des Erblassers erfahren. Bis dahin seien sie davon ausgegangen, die Aktiva des Nachlasses überstiegen die Passiva.
Die Beteiligte zu 1 behauptet demgegenüber, das Urteil sei der Beteiligten zu 3 als Betreuerin des Erblassers bekannt gewesen, die Beteiligte zu 2 sei ohnehin über alle relevanten Geschäftsvorfälle informiert gewesen.
Mit Beschluss vom 28.01.2011 ordnete das Nachlassgericht Nachlasspflegschaft gemäß § 1960 BGB an.
Das Landgericht Stadt2 erklärte mit Beschluss vom 01.03.2011 das Urteil der Bank1 für in Deutschland vollstreckbar und ordnete die Erteilung der Vollstreckungsklausel gegen die "unbekannten Erben" des Erblassers, vertreten durch den Nachlasspfleger, an (Az. 17 O 34/11; Bl. 80 f. d.A.). Die Klausel wurde am 14.03.2011 erteilt und am 29.03.2011 an den Nachlasspfleger zugestellt (Bl. 82 d.A.).
Auf Antrag des Nachlasspflegers wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Offenbach am Main - Insolvenzgericht - vom 29.11.2011 das Nachlassinsolvenzverfahren wegen Überschuldung des Nachlasses eröffnet (Az. ...; Bl. 51 d.A.). Nach der Schlussverteilung wurde das Nachlassinsolvenzverfahren mit Beschluss vom 25.01.2017 wieder aufgehoben (Bl. 313 d.A.).
Mit Beschluss des Nachlassgerichts vom 07.03.2017 wurde die Nachlasspflegschaft aufgehoben (Bl. 245 f./247 f. d.A.). Nach Abwicklung des Nachlasses und Erschöpfung der Masse bestehe kein Bedürfnis mehr für die Fortführung der Pflegschaft.
Bereits mit anwaltlichem Schriftsatz vom 17.12.2013 (Bl. 77 ff. d.A.) hatte die Beteiligte zu 1 einen Erbscheinsantrag gestellt, wonach die Beteiligten zu 2 und 3 Erben des Erblassers sei...