Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 06.05.1999) |
Gründe
Mit Anklage vom 24.3.1999 wird der Angeschuldigten zur Last gelegt, gemeinschaftlich mit dem Mitangeschuldigten den die Angeschuldigte im Ermittlungsverfahren als ihren Verlobten bezeichnet hat, mit Betäubungsmittel (Crack) in nicht geringer Menge Handel getrieben und dabei eine Schußwaffe mit sich geführt zu haben, tateinheitlich hierzu ohne die erforderliche Erlaubnis die tatsächliche Gewalt über eine halbautomatische Selbstladewaffe ausgeübt zu haben sowie durch eine weitere Handlung Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Körperverletzung geleistet zu haben.
Durch Beschluß der Vorsitzenden der 27. Strafkammer des Landgerichts Frankfurt vom 6.5.1999 wurde dem Mitangeschuldigten ... Rechtsanwalt ... zum Pflichtverteidiger bestellt. Rechtsanwalt ... und Rechtsanwältin ... sind in einer Sozietät verbunden.
Mit der angefochtenen Verfügung hat die Strafkammervorsitzende den Antrag von Rechtsanwältin ..., sie der Angeschuldigten zur Pflichtverteidigerin zu bestellen, unter Hinweis auf die Gefahr eines Interessenkonflikts zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Angeschuldigten, der der stellvertretende Strafkammervorsitzende mit eingehender Begründung nicht abgeholfen hat.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Der Beiordnung von Rechtsanwältin ... zur Pflichtverteidigerin der Angeschuldigten steht ein wichtiger Grund entgegen (§ 142 Abs. 1 Satz 3 StPO).
Die Fürsorgepflicht eines/einer Vorsitzenden kann es verbieten, einen Pflichtverteidiger zu bestellen, der die Verteidigung wegen eines Interessenkonflikts möglicherweise nicht mit vollem Einsatz führen kann (vgl. BGH in StV 92, 406; Kleinknecht-Meyer/Goßner, StPO, 44. Aufl., § 142 Rdnr. 3). Im Prinzip haben Mittäter bei der Verteidigung gegenläufige Interessen; dieser Interessenwiderstreit kann auch zu einem Interessenkonflikt der sie verteidigenden, einer Sozietät angehörenden Pflichtverteidiger führen. Will einer der Pflichtverteidiger seinen Mandanten vor einem Schuldspruch hinsichtlich eines beiden Angeschuldigten gemeinschaftlich zur Last gelegten Tatvorwurfs - oder eines Teiles hiervon - bewahren oder für seinen Mandanten eine möglichst geringe Strafe erwirken, so muß dies einer gleichgerichteten Strategie des anderen Verteidigers zuwiderlaufen.
Zwar kann in einem solchen Fall die Bestellung von Sozietätsmitgliedern als Pflichtverteidiger - was die Strafkammervorsitzende auch nicht getan hat - nicht deswegen abgelehnt werden, weil die Berufsordnung in ihrer Neuregelung in § 3 Abs. 2, 2 BORA die gleichzeitige Verteidigung mehrerer derselben Tat Mitangeklagter durch Sozietätsmitglieder als Interessenkonflikt der Anwälte wertet, der ein Tätigwerden verbiete (vgl. Senatsbeschluß v. 28.1.1999 - 3 Ws 53 u. 54/99); vielmehr ist eine Ablehnung nur dann gerechtfertigt, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der (die) Verteidiger wegen dieses Interessenkonflikts zu einer sachgerechten Verteidigung außer Stande sind. Dies ist dann der Fall, wenn deutliche Hinweise dafür vorliegen, daß sich der mögliche Interessenkonflikt real manifestiert hat (vgl. bereits zit. Senatsbeschluß), wobei es entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin auf den Zeitpunkt der erforderlich gewordenen Entscheidung über die Pflichtverteidigerbestellung und nicht etwa den Zeitpunkt der noch durchzuführenden Hauptverhandlung ankommt.
Derartige konkrete Anhaltspunkte liegen hier - wie in der Nichtabhilfeentscheidung ausführlich und zutreffend dargelegt - vor.
Der Mitangeschuldigte ... hat sich im Ermittlungsverfahren zur Sache nicht eingelassen; die Angeschuldigte ... hat sich dahingehend geäußert, sie habe von der Existenz der Schußwaffe, die sie für eine Schreckschußpistole gehalten habe, gewußt, die Waffe gehöre dem Mitangeschuldigten .... Diese letzte Angabe wird durch die Zeugin ... bestätigt, wonach sie - die Zeugin - die Waffe dem ... überlassen habe. Diesen Angaben steht der Umstand gegenüber, daß die Waffe in der allein von der Angeschuldigten angemieteten Wohnung ... aufgefunden wurde. Beiden Angeschuldigten wird bewaffneter Betäubungsmittelhandel tateinheitlich mit einem Verstoß gegen das Waffengesetz zur Last gelegt. Der Frage, wem die Waffe zugeordnet werden kann oder muß, kommt somit für den jeweiligen Schuldumfang eine ganz wesentliche Bedeutung zu. Im Hinblick auf die Aufgabe eines Verteidigers, die Verteidigung mit vollem Einsatz zu führen, was konkret heißt, die belastenden Angaben der Angeschuldigten aufrechtzuerhalten, besteht für Frau Rechtsanwältin ... der real vorhandene Konflikt, bei entsprechender Verteidigungsstrategie gegen die Interessen des Mitangeschuldigten und damit gegen die Interessen ihres Sozietätspartners handeln zu müssen.
Nach alledem ist ihre Pflichtverteidigerbestellung zu Recht abgelehnt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.
Fundstellen
Haufe-Index 2993932 |
NStZ-RR 1999, 333 |
NStZ-RR 2001, 74 (Kotz/Rahlf) |