Entscheidungsstichwort (Thema)

Familienrechtlicher Ausgleichsanspruch bei Betreuung des Kindes im Ausland

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Voraussetzungen des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs, wenn das Kind von der Mutter im Ausland betreut und erzogen wurde.

2. Die Verjährung dieses Anspruchs beginnt frühestens zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Feststellung der Vaterschaft.

 

Normenkette

BGB § 1613 Abs. 2 Nr. 2a

 

Verfahrensgang

AG Frankfurt am Main (Beschluss vom 10.03.2010; Aktenzeichen 452 F 1409/09)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Der Antragstellerin wird für den ersten Rechtszug ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin RAin1 bis zu einem Streitwert von 36,887 EUR bewilligt.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die gem. § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 127 Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde hat im Umfang der mit Schriftsatz vom 16.6.2010 noch begehrten Verfahrenskostenhilfe Erfolg. Denn insoweit besteht eine für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe hinreichende Erfolgsaussicht.

Zwar besteht ein Ausgleichsanspruch nur, soweit die Antragstellerin für den Barunterhaltsanspruch des Sohnes selbst aufgekommen ist. Nur wenn die Antragstellerin aus eigenen Mitteln den Bedarf, zu dessen Deckung der Barunterhalt bestimmt ist, gedeckt hat - sei es auch durch Naturalleistungen -, kann sie unter weiteren Voraussetzungen den Antragsgegner auf Ausgleich in Anspruch nehmen (BGH FamRZ 1994, 1102). Die reine Betreuungs- und Erziehungsleistung der Antragstellerin begründet einen solchen Ausgleichsanspruch nicht, da mit der Betreuung und Erziehung keine vom Antragsgegner geschuldete Unterhaltsleistung erbracht wurde, sondern der von der Antragstellerin selbst geschuldete Unterhaltsbeitrag. Es können daher nur zusätzlich zur Betreuung und Erziehung erbrachte Unterhaltsleistungen zu einem Ausgleichsanspruch führen.

Da der hier geltend gemachte Ausgleichsanspruch jedoch für die jeweiligen Monate den früheren Regelbedarf nach der Regelbedarf-Verordnung bzw. seit 1.7.1998 den jeweiligen Regelbetrag nach der Regelbetrag-Verordnung nicht übersteigt, kann eine entsprechende Deckung des Barunterhalts durch Leistung der Antragstellerin aus dem Umstand gefolgert werden, dass das Kind in der Zeit, in der kein Barunterhalt gezahlt wurde, dennoch tatsächlich versorgt war (OLG Frankfurt FamRZ 1999, 1450). Soweit keine Dritten den Unterhalt erbracht haben, ist davon auszugehen, dass der Bedarf des Kindes durch Leistungen der Antragstellerin gedeckt wurde.

Allerdings besteht der geltend gemachte Ausgleichsanspruch nur, wenn in dem streitgegenständlichen Zeitraum - die Vaterschaftszuordnung des Antragsgegners unterstellt - jeweils ein Unterhaltsanspruch des Kindes gegen den Antragsgegner bestanden hätte, mithin dieser zur Zahlung von Unterhalt i.S.v. § 1603 BGB leistungsfähig war. Nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast hat jedoch der Antragsgegner für die jeweiligen Unterhaltszeiträume die für seine Leistungsunfähigkeit sprechenden Umstände im Einzelnen und substantiiert darzulegen. Deshalb ist im Rahmen des Antrags der Antragstellerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe von einer ausreichenden Leistungsfähigkeit des Antragsgegners auszugehen, zumal es den Zweck der Verfahrenskostenhilfe verfehlen würde, streitige Tatsachen im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren zu klären.

Der Senat sieht auch den Bedarf des Kindes mit einer für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ausreichenden Aussicht auf Erfolg dargelegt. Der Bedarf eines im Ausland lebenden unterhaltsberechtigten Kindes ist unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Kaufkraft und der Lebenshaltungskosten zu ermitteln. Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 16.6.2010 für die Zeiträume, in denen das Kind in Litauen lebte, bereits einen Abschlag vorgenommen. Ob dieser Abschlag ausreichend bemessen ist oder für diese Zeiträume ein weitergehender Abschlag - etwa bis zur Hälfte der hiesigen Tabellenbeträge - vorzunehmen ist (vgl. hierzu etwa Eschenbruch, Der Unterhaltsprozess, 5. Aufl. 2009, Kap. 3 Rz. 341 ff. unter Hinweis auf Länderübersichten), muss im Hauptsacheverfahren geklärt werden. Dies gilt auch für die hier zwischen den Beteiligten streitige Frage, in welchen Monaten der Jahre 2007 oder 2008 das Kind beim Antragsgegner lebte und der Unterhalt durch dessen Naturalleistungen erbracht wurde.

Entgegen der Annahme des Familiengerichts kann der familienrechtliche Ausgleichsanspruch für die Zeit vor wirksamer Anerkennung der Vaterschaft wegen § 1613 Abs. 2 Nr. 2a BGB ohne die Beschränkung des § 1613 Abs. 1 BGB rückwirkend geltend gemacht werden. Die Verjährungsfrist begann frühestens zu dem Zeitpunkt der wirksamen Herbeiführung der rechtlichen Vaterschaftszuordnung zu laufen(vgl. Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 6. Aufl. 2010, § 52 Rz. 134).

Die mit § 1613 Abs. 3 BGB verbundenen Wertungen, die auch im Rahmen des Ausgleichsanspruchs Bed...

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